Warnung: Dieser Beitrag kann Anfänger verunsichern, verwirren oder überfordern. Lesen auf eigene Gefahr! Bevor ich wieder Motze kriege, schreibe ich das vorsorglich... :grins:
Schüttelbestäuber ist garnicht so abwegig. Die Bestäubungsform nennt sich
Vibrationsbestäubung.
Aber Hand auf's Herz: Von mir wird man sicherlich ältere Beiträge finden, in denen ich selbst von geschrieben habe, dass Tomaten Windbestäuber seien. Und wer behauptet Tomaten seien Windbestäuber kann man eigentlich auch keine Vorwürfe machen. Zumindest keinem Hobbygärtner. Denn schließlich bestäubt sich die Tomate ja indirekt durch den Wind. Und schließlich ist das ja auch so häufig zu lesen, dass die Tomaten Windbestäuber seien.
Aber seit ich mich mit der Genetik & der Züchtung beschäftige ist mir klar, dass Tomaten eben keine Windbestäuber sind. Lass mich das Dir erklären:
Echte Windbestäuber sind diese Pflanzenarten, die ihren Pollen mit dem Wind auf Reise schicken. Dazu zählen Gräser, inkl. Getreide wie Weizen, Mais, usw, Birke, Haselnuss und viele, viele weitere. Windbestäuber lösen durch ihren Pollen beim Menschen gerne Allergien aus.
Tomaten und viele andere Nachtschattengewächse (z.B. Paprika, Chilis, Auberginen, usw.) sind Vibrationsbestäuber. Ihre Blüten sind zwittrig. Das bedeutet aus jeder Blüte wird bei erfolgreicher Bestäubung eine Frucht. Und jede Blüte kann sich mit dem eigenen Pollen bestäuben. Aber eine Bestäubung muss stattfinden, sonst fällt die Blüte nach dem Abblühen ab. Bei Vibrationsbestäuber sind die Blüten so konstruiert, dass der Pollen nur schwach an den Staubbeuteln klebt. Bei einer geringen Vibration (z.B. durch Mensch, Wind oder Bestäuberinsekten) löst sich der Pollen von den Staubbeuteln (männlicher Teil) und fällt auf die Narbe (weiblicher Teil). Fertig ist die Bestäubung.
Hier habe ich ein super Foto, welches den Aufbau einer Tomaten-Blüte super erklärt:
Ich übersetz mal die englischen Fachbegriffe:
- sepal = Kelchblatt
- petal = Blütenblatt
- anther = Staubbeutel (männlicher Teil)
- stigma = Stigma, Narbe (weiblicher Teil)
- style = Griffel (weiblicher Teil)
- ovary = Fruchtansatz (weiblicher Teil)
Und hier noch einmal in eigenen Bildern:
Der rot markierte Bereich ist der männliche Teil - die Staubbeutel. Der weibliche Teil - die Narbe - sieht so aus:
Allerdings ist die Narbe nicht bei jeder Sorte sichtbar. Häufig versteckt sie sich auch zwischen den Staubbeuteln.
Je nachdem ob sich die Narbe zwischen den Staubbeuteln versteckt oder sichtbar ist, kann man sichere Schlüsse darüber ziehen, wie Wahrscheinlich eine Verkreuzung mit einer anderen Sorte ist.
Bei den Blüten, bei denen die Narbe sichtbar ist kann es leicht zu einer Verkreuzung kommen in dem Bestäuberinsekten, die zuvor eine andere Sorte angeflogen haben, Pollen von dieser fremden Sorte auf die Narbe übertragen. Man spricht bei solchen Sorten von Sorten mit hoher Verkreuzungswahrscheinlichkeit oder kreuzungsgefährdete Sorten. Besonders Fleischtomaten und viele Wildtomaten-Sorten gehören zu dieser Gruppe. Für solche Sorten ist ein Verhüterli Pflicht!
Bei Blüten, bei denen die Narbe sich zwischen den Staubbeuteln versteckt, können Bestäuberinsekten fremden Pollen nur schwer auf die Narbe übertragen, da sich eben die Narbe versteckt. Es kommt in aller Regel zur Selbstbestäubung. Fremdbestäubung und somit eine Verkreuzung ist relativ unwahrscheinlich, kann allerdings nicht zu 100% ausgeschlossen werden. Bei solchen Sorten spricht man von Sorten mit niedriger Verkreuzungswahrscheinlichkeit. Ein Verhüterli ist vernachlässigbar, aber 100%ig sortenreines Saatgut kann man auch hier nur mit Verhüterli garantieren!
Hier ein Bild dazu, links hohe Verkreuzungswahrscheinlichkeit, rechts niedrige Verkreuzungswahrscheinlichkeit:
Aber okay, ich setz 'nen Punkt.
Grüßle, Michi ... am Klugscheißen :d