Klar, hier ist der Chef...
Aaaalso: Meiner Meinung ist es grundsätzlich egal von welcher Frucht Samen genommen wird. Die Früchte sollten nur "normal" sein, d.h. keine kümmerlichen, abormal kleine Früchte. Aber das versteht sich denke ich mal von selbst. Mir ist schon einmal zu Ohren gekommen, man solle keine Samen von Bunker-Früchten (die ersten abnormal großen Früchte bei Fleischtomaten) nehmen und der 2-3 Fruchtstand sei der Beste für die Samenentnahme. Ich kann das aber nicht so ganz nachvollziehen, bzw. verstehen. Wenn das jemand mir erklären könnte, wäre nett. Vielleicht ist es aber auch nur Schwindel. Ich weis es nicht. Ich für meinen Teil habe mich daran noch nie gehalten. Ich mache nur von keinen kümmerlichen, abnormal kleinen Früchten keine Samen. Ansonsten halte ich mich da an keine Regel.
Sollte man die erste Frucht des Jahres nehmen und kann dann auf Dauer mit früher reifen Tomaten rechnen oder ist das egal?
Sollte man eine besondern große Frucht nehmen oder ist das egal?
Angenommen man will kleinere Früchte, sollte man dann auch kleine Früchte zur Samengewinnung heranziehen?
Sollten es Früchte sein die besondern gut schmecken oder spielt das keine Rolle?
Nein, das funktioniert so nicht. Wenn man beispielsweise die erste Frucht der Saison erntet kommt man da so nicht züchterisch hin, um das Züchtungsziel "Frühreife Tomaten" nachzugehen. Dazu müsstest du beispielsweise von der Sorte 'ne größere Menge an Pflanzen halten (um so mehr Pflanzen, um so besser das Endergebnis oder anders formuliert: umso mehr Pflanzen, umso mehr potenzielle Talente, die nicht in der Samentüte verbleibend vor sich hinschlummern). Die Pflanze, welche die früheste Ernte abwirft hat dann das Potenziel mit den besten Genen für 'ne Frühreife Ernte. Und das muss man dann über viele Jahre (Generationen) so praktizieren. Dieser Vorgang nennt sich in der Pflanzenzüchtung die Selektions- bzw. Auslesezüchtung. Auf diesem Weg ist aus einem Süßgras unser Mais entstanden. Oder aus erbsengroßen Wildtomaten große Salat- oder Fleischtomaten. Oder schärfefreien Paprikas. Giftfreie Kürbisse. Und so weiter. Über einen Zeitraum von hunderten von Jahren.
Ein bisschen schneller kannst du das treiben, in dem du etwas miteinander kreuzt. Willst du eine frühreife Tomate: Kreuze Deine Tomate mit einer frühreifen Tomate. Willst du große Tomaten: Kreuze sie mit Fleischtomaten. Willst du kleine Tomaten: Kreuze sie mit Cherry- oder Wildtomaten. Willst du gutschmeckende Tomaten: Kreuze sie mit einer gutschmeckenden Tomate.
Aber da sind wir dann schon im Bereich der Züchtung - man kann auch nur zum Spaß züchten. Aber effektiv erfolgreich kann man nur sein, wenn man pro Züchtungsprojekt so viel möglich an Pflanzen anzieht (+250 Pflanzen pro Projekt). Das hat mit Hobbygärtnerei dann nicht mehr viel zutun. Da muss man dann schon 'ne unheimliche Leidenschaft mitbringen.
Sollten die Früchte von besondern kräftigen Pflanzen sein?
Ja, auf jeden Fall. Stichwort: Selektion und die besten Gene. Angenommen man zieht von einer Sorte nur immer eine einzige Pflanze und vermehrt diese Jahr-für-Jahr immer über die jeweils einzelne Pflanze weiter, dann geht die Sorte dadurch mit der Zeit kaputt. Das heißt die Sorte wird irgendwann mal nicht mehr so viel tragen, nicht mehr so gut schmecken, anfälliger für Krankheiten sein und so weiter. Das geht allerdings so schleichend, langsam, dass man das so nicht merkt. Das ist wie bei mir, als ich meinen Führerschein gemacht hab und zum Sehtest musste: Ich ging von mir selbst davon aus, 1A zu sehen. Da stellte sich dann aber raus, dass dies aber nicht der Fall ist. Schleichend hat sich bei mir 'ne Sehschwäche in die Ferne eingestellt. Durch den schleichenden Prozess gewöhnt man sich daran und das Gehirn selbst kennt auch 'ne automatische Fehlerkorrektur, um mit der Sehschwäche umzugehen (was einem aber schneller ermüden lässt). Wenn man so will: Meine Brille machte mich intelligenter. Nicht nur, dass die Brille mich dann gebildet aussehen lies, nein, auch in der Schule gabs bei mir 'nen gewaltigen Schub. Jedenfalls, ziemlich vom Thema abgekommen: Bei den Tomaten (bzw. bei allem) ist das ganz genau so. Sprich schleichender Prozess. Von Zeit-zu-Zeit kann es daher mal Ratsam wieder frisches Saatgut einzukaufen. Kritisch ist das nur bei Sorten, von der man kein frisches Saatgut kaufen kann. Beispielsweise weil es eine alte Familiensorte ist. Da muss man den Selektionsdruck, den Mutter Natur ("nur die stärksten überleben") normalerweise ausübt von Hand durchführen, damit die Sorte nicht kaputt geht und ihre Fitness behält. Dazu plant man von der Sorte, die man erhalten möchte, etwa 25 Pflanzen ein. Nach oben hin darf es auch immer gerne mehr Pflanzen sein. Das wirkt sich nur positiv aus. Wenn man garkeinen Platz hat, sind 4 Pflanzen besser als 1 Pflanze. Aber nach Möglichkeit sollte man immer auf 25 und mehr Pflanzen setzen. Jo, und von all diesen Pflanzen vermehrt man nur eine einzige weiter: Die mit den besten Eigenschaften (Reifezeit, Ertragsleistung, Geschmack, Gesundheit, ...). Hat man noch weitere Sorten in der Nähe (auch an die Nachbarn denken!): Verhüterli drauf, damit die sich nicht verkreuzen. Und wenn man es ganz professionell machen will: Hat man zwei Pflanzen "mit den besten Genen" kann man die auch kreuzen, damit sich die Gene beider Pflanzen kombinieren.
PS: Angenommen Tomate A besteubt Tomate B: Ist dann in diesem Jahr die Frucht schon eine Mischung aus beiden oder erst im nächsten?
Nein, Verkreuzungen passieren lediglich auf Saatgutebene. Sprich mit dem Samen, der da in der Frucht heranwächst. Die Früchte werden immer so aussehen, wie man das von der Mutterpflanze her erwartet. Im Prinzip wie bei Menschen: Da wächst im Bauch ein kleiner Mensch heran, der eine Kombination an Genen von Mama und Papa trägt. Der Bauch selbst sieht aber immer so aus, wie man es von Mama kennt. Der Bauch von der Mama wird dann keine Kombination aus Mama und Papa... *grins*
Wenn Dir mal langweilig ist kannst du ja mal Blüten von Tomaten auseinander zupfen, welche noch verschlossen sprich nicht aufgeblüht sind. Du wirst feststellen, dass, obwohl die Blüte noch verschlossen war und somit keine Bestäubung stattgefunden haben sein kann, verborgen im inneren der Blüte bereits ein Fruchtansatz sich befindet. Bereits vor der Bestäubung ist quasi bereits definiert, wie die spätere Frucht einmal aussehen wird. Deshalb sieht die spätere Frucht auch immer so aus, wie man es von der Mutterpflanze (der Sorte) her erwartet. Beispielsweise hier:
Das hätte mal 'ne geriptte Fleischtomate gegeben, hätte ich die Blüte nicht abgezupft und wäre diese bestäubt worden.
Verkreuzungen sieht man also niemals, wirklich niemals der Frucht an. Die "böse Überraschung" zeigt sich erst mit den Pflanzen, die aus verkreuztem Samen sprießen. Beispielsweise weil die Pflanzen der vermeintlichen Brandywine alle nicht mehr kartoffelblättrig, sondern normalblättrig sind. Oder weil die Green Zebra Pflanzen auf einmal keine Streifen mehr haben. Oder, oder, oder...
Grüßle, Michi