Wie macht ihr das wenn ihr von einer Sorte nur eine Pflanze wollt? Sicherheitshalber zwei Körnchen ziehen?
Eigentlich macht man das so: Man sät, was die Samentüte her gibt. Also durchaus 20 Korn oder auch entsprechend mehr. Das lässt man dann keimen. Pikiert anschließend nur die kräftigsten Keimlinge. Später pflanzt man nur die kräftigsten Jungpflanzen.
Der Prozess ist gut, man übt quasi einen Selektionsdruck aus, wie man im Fachchinesisch so sagt.
Nur: Wer schafft es die unzähligen Keimlinge und Jungpflanzen zu kompostieren? Also mit dem Gewissen und so? Ich kann das einfach nicht, ich hab damit echt ein Problem. Vielleicht so ein Tomaten-Messi Ding? Mir tun die überschüssigen Pflanzen einfach so unendlich leid.
Für mich war das z.B. im Frühling so ein richtiger trauriger Tag, als ich im Gewächshaus die zahlreichen wild aufgegangenen Tomatenkeimlinge und Kartoffeln ausreissen musste. Für 2022 hab ich mir vorgenommen, Keimlinge im Gewächshaus auszureissen, bevor ich erkennen kann ob es Unkraut oder Tomate ist. Vielleicht hilft das emotional...
In der Praxis (mit meinem mittlerweile winzigen Garten) mache ich das so: 1 Korn unter die Erde. Punkt. Keimt das nicht, oder der es zeichnet sich ab dass der Keimling/Pflänzlein schwächlich ist, oder ein Nichtsnutz. Dann säe ich 1 Korn nach. Punkt. Versuche daher nicht auf den letzten Drücker zu säen, damit ich noch Spielraum für die Nachsaat hab.
Findest du natürlich einen Weg, überschüssige Pflanzen abgeben zu können (Pflanzenbörse, Familie, Freunde, Arbeitskollegen, etc.), dann bietet sich natürlich mehr als 1 Korn an.
So für den "08/15"-Gärtner ist die "1 Korn Methode" okay. Will man dagegen eigene Sorten züchten, ist die Methode natürlich ein no-go. Will man selber Samen gewinnen ist diese Methode ebenfalls ein no-go. Schließlich fehlt für beide Vorhaben der so notwendige Selektionsdruck.
Ich bau hier allerdings ein "aber" ein: Nimmt man sich selbst mit seinem Hobby nicht zu ernst, will sinngemäß nur seinen Hobbyspaß und dabei was ernten und letztlich Samen nur für diesen eigenen Zweck für sich persönlich Samen nehmen, dann geht das auch mit der "1 Korn Methode".
Es ist dann nur so, dass mit jedes Mal Samen gewinnen (Generation), die Nachkommen der Eigensaat ein Stück weit schlechter werden kann. Das würde sich schleichend mit schlechterem Ertrag, Wüchsigkeit/Kräftigkeit/Vitalität der Pflanzen, Krankheitsanfälligkeit, etc. bemerkbar machen.
Denn man vermehrt ja immer nur diese eine Pflanze weiter, die man nicht bewerten/vergleichen kann, und gibt so ggf. nicht die besten Gene weiter. Während man bei der normalen, "richtigen" Vorgehensweise ja selektiert: Nur die kräftigsten Keimlinge pikiert, nur die kräftigsten Jungpflanzen auspflanzt und später nur Samen von der kräftigsten Pflanze mit den bestschmeckenden Früchten, den größten Ertrag und idealerweise Krankheitsresistenz gewinnt.
Wiegesagt, für Heimhobbyzwecke braucht man es nicht so eng sehen. Die meisten Sorten, die im Hobbygarten angebaut werden, sind jetzt nicht übertrieben selten. Man könnte also Samen nachkaufen, wenn die eigene Saat nichts mehr taugt. Und außerdem: Bei richtiger Lagerung halten Tomatensamen durchaus auch mal 10 Jahre. Man macht ja also nicht jährlich Samen. Wenn man also alle 5 Jahre von dieser einen Sorte Samen gewinnt, würde ich vermuten, dass es dauern würde, bis man überhaupt merkt, dass die eigene Saat nachlässt. Ab wann sich aber in der Praxis Phänomene wie Selektionsmangel oder Inzuchtdepression zeigen, nun-ja, das kann ich nicht beantworten. Dazu bin ich noch zu "frisch" dabei mit diesem Hobby. In der Zeit von 2007 bis 2021 hab ich jedoch noch kein Nachlassen der Pflanzenqualität bei eigener Samengewinnung unter "1 Korn Methode" beobachtet.
Nur bei einer Sache würde ich zur Sorgfältigkeit mahnen: Das ist, wenn man in Besitz einer Sorte ist, die es sonst nirgends mehr gibt. Beispielsweise die Haus- und Familiensorte von den Großeltern. Da würde ich alles tun und machen, um diese Sorte mit ihren bestmöglichen Genen zu erhalten und zu verbessern (was bei stetiger Auslese/Selektion zwangsweise ja auch passiert). Im Fachjargon sagt man Erhaltungszüchtung dazu.
So, jetzt ist Essen fertig. Danke für den zeitlichen Lückenfüller. Hat mir geholfen den Hunger zu vergessen...
Grüßle, Michi