Da hab ich aber andere Vorstellungen von Genetik... :grins:
Eine Hybridsorte spaltet in jedem Fall in der F2-Generation auf. Sie vergisst dabei natürlich nicht, wie sie genetisch gestrickt ist. Gregor Mendel würde sich im Grab rumdrehen, würde er das lesen. Allerdings spalten Hybridsorten unterschiedlich auf. Von optisch stark bis optisch kaum bemerkbar. Das liegt daran mit welchen genetischen Merkmalen die Inzuchtlinien bestückt wurden, aus denen die Hybridsorte gezüchtet wurde. Aber Aufspalten werden sie in jedem Fall in der F2-Generation. So gibt es Hybridsorten, an denen man die Aufspaltung sehr gut nachvollziehen kann. Ich nehm immer wieder gerne die Sungold F
1 als Beispiel. Die einen F
2 Pflanzen produzieren goldene Früchte in der Größe wie die F
1 und die anderen Pflanzen rote, etwas größere Früchte. Das so im Wesentlichen. Es purtzeln aber teils auch kartoffelblättrige Pflanzen oder welche mit größeren, goldenen Früchten heraus. Oder wir hatten hier im Forum mal den Fall einer Aufspaltung, da waren etwa 25% der Pflanzen mit ungenießbaren, bitteren Früchten bestückt (die Früchte hatten dabei 'ne komische, bereits nicht "anturnende" beige Farbe). Unklar, ob da 'ne Wildform der Tomate durchgeschimmert hat bei der Aufspaltung, die man einst in den Inzuchtlinien eingekreuzt hat, um der fertigen Hybridsorte Resistenzen einzukreuzen. Oder ob der Züchter der Hybridsorte ganz gezielt ein oder ein paar Gen(e) eingekreuzt bzw. eingebettet hat, um ein dehybridisieren einer Sorte zu erschweren. Das wird mittlerweile immer häufiger so angewendet. Ich stand dieses Jahr auf einem großen Kartoffelfeld, wo Kartoffeln angebaut wurden für die Produktion von Pflanzkartoffeln. Es waren mehrere Sorten auf dem Feld. Auffallend allerdings war eine Sorte im Besonderen: Keine der tausenden von Pflanzen hatte Beeren dran hängen. Aber sie hatten geblüht. Aber die Blüten sind unbestäubt abgefallen. Die anderen Kartoffelsorten davon hatten aber ihre Kartoffelbeeren. Nur die eine Sorte nicht. Noch nicht einmal die Pflanzen unmittelbar zu anderen Sorten hatten Beeren. Mir wurde klar, dass die Blüten
female sterile sein mussten. Auch konnte ich aus keiner der Blüten Pollen extrahieren. Sodass mir auch klar wurde, dass sie auch
male sterile waren. Später wurde mir das vom Züchter auch bestätigt. Das wird ganz gezielt so angewendet, damit sich keiner Pollen extrahieren oder eine Kartoffelpflanze dieser Sorte als Mutterpflanze für eigene Züchtungen verwenden kann. Damit die Gene dieser Sorte beim Züchter bleiben und keiner sie klauen kann für eigene Züchtungen. Das optimale Copyright bzw. Patent in der Pflanzenzüchtung sozusagen. Bei Tomaten beobachte ich auch so einen ähnlichen Trend. Da kommen immer mehr Hybridsorten auf den Markt, die parthenokarp, female sterile und male sterile sind. Das bedeutet auch hier, dass sich keiner die Gene dieser Hybridsorte zunutze machen kann für eigene Züchtungen. Und das ganze würde sich erst noch gut vermarkten lassen: Das resultat wären samenlose Früchte (offenbar empfinden manche die Tomatensamen als störend, mein Opa war so einer, der hatte die häufig zwischen seinem Zahnfleisch und seinem Gebiss hängen). Aber das größte Argument geht in Richtung der Tomatenbauern, die Tomaten im großen Stil in großen Gewächshäusern anbauen: Die Pflanze ist jungfernfrüchtig, die Blüten müssen nicht mehr bestäubt werden. Das heißt es gibt keine unbestäubten Blüten mehr (mehr Ertrag) und man kann auf den Einsatz von billigen Arbeitern, die durch die Reihen gehen, um die Pflanzen zu schütteln bzw. auf den Einsatz von Hummeln komplett verzichten. Ups, jetzt bin ich bissl abgewiechen vom Thema. Jedenfalls: Es gibt aber auch Hybridsorten, die optisch nicht so deutlich sichtbar aufspalten. Beispielsweise die genannte Kumato F
1 ist so eine. Ich hab die Kumato dieses Jahr auf die F
4 stabilisiert, darf ich aber eigentlich garnicht schreiben, sonst hab ich am Montag gleich 'ne Abmahnung von Syngenta im Briefkasten wegen Verstoßes gegen das Sortenschutzgesetzes. Nur weil eine Hybridsorte nicht so offensichtlich aufspaltet, darf man nicht meinen die hat einfach "vergessen" aufzuspalten. Was ist z.B. mit anderen Eigenschaften, die man der Pflanze optisch nicht ansieht? Wie beispielsweise Resistenzen?
Zu Deiner Frage:
Absaaten einer Hybridsorte werden nicht nur mit viel Glück stabil. Sondern in jedem Fall. Das lässt sich sogar in Prozenz ausdrücken:
F
3 = 50% genetisch stabil
F
4 = 75% genetisch stabil
F
5 = 87,5% genetisch stabil
F
6 = 93,75% genetisch stabil
F
7 = 96,875% genetisch stabil
F
8 = 98,4375% genetisch stabil
F
9 = 99,21875% genetisch stabil
F
10 = 99,609375% genetisch stabil
F
11 = 99,8046875% genetisch stabil
und so weiter...
Bereits ab F
3, also der nächsten Generation nach der großen Aufspaltung, kann man den Prozess sehr schön beobachten. Mit jeder Generation werden die Pflanzen in ihrer Merkmalsausprägung gleicher. Während in der F
2 noch "Chaos" war und jede Pflanze irgendwie anders war, sind sie dann in der F
7 schon recht einheitlich (d.h. sortenstabil). Nur 3% Unterschied.
Weiter mit Deiner Frage: Sie werden mit jeder Generation auch schlechter. Denn im gleichen o.g. Takt, wie sie genetisch stabiler werden, nimmt auch der Heterosis-Effekt mit jeder Generation ab. Zum Schluss bleibt eine Sorte übrig auf dem Level einer samenfesten Sorten. Der Heterosis-Effekt ist der Grund, warum man überhaupt Hybridzüchtung betreibt. Genau so wie bei Mischlingen bei Tieren sind Pflanzen ertragreicher und gesünder.
Zudem geht bei der Aufspaltung jede Menge genetische Merkmale verloren. Bzw. da sind wir dann ganz tief in der Pflanzenzüchtung drinne. Wenn man da 'ne Dehybridisierung (d.h. aus der Hybridsorte eine samenfeste Sorte züchten möchte) vornehmen will und auf einem hohen Qualitätsstandard möglichst viele Merkmale der Hybridsorte mitnehmen möchte, braucht man schon züchterische Fähigkeiten und Möglichkeiten. Möglichst hunderte, wenn nicht sogar Tausend Pflanzen. Und dann ist die wichtigste Methode nach der Aufspaltung die Auslese (Selektion). Man wählt dann Pflanze
aus, die optisch der Hybridsorte am Ähnlichsten sind. Und da das optische bei 'ner Aufspaltung nicht alles ist kommen noch weitere Kriterien dazu. Da gehört der Geschmack, die Ertragsleistung, Krankheitsresistenzen und so weiter dazu. Mitunter geht es da dann recht speziell zu. Beispielsweise misst man den pH-Wert von Früchten oder den Zuckergehalt in Grad Brix. Oder wenn die Hybridsorte robust oder resistent gegen Tomatenmosaikvirus war, dann nimmt man sich als Züchter vom Bestand einer jeder einzelnen Pflanze Proben, bringt diese in eine isolierte Umgebung und impft diese mit Tomatenmosaikvirus, um in Erfahrung zu bringen, welche der Pflanzen nach der Aufspaltung ihre Robustheit/Resistenz gegen TMV erhalten haben.
Natürlich muss man als "einfacher Hobbygärtner" nicht ganz so hohe Maßstäbe setzen. Die Qualität der späteren stabilen Sorte ist dann natürlich entsprechend schlechter. Aber wenn man im Hobbygarten mit 25-30 Pflanzen arbeitet muss das Ergebnis grundsätzlich nicht schlecht sein.
Dann gibt es noch 'nen dritten, weiteren Grund warum mit jeder Generation das Ergebnis schlechter werden kann. Das betrifft aber nicht nur Absaaten von Hybridsorten, sondern auch jede x-beliebige Sorte im Allgemeinen. Das liegt am Blütenaufbau von Tomaten und wie sie sich bestäuben. Tomaten bestäuben sich in den meisten Fällen mit dem eigenen Pollen selbst. Dadurch kommt es zu keinem genetischen Austausch mit anderen Pflanzen. Es kommt mit der Zeit zu einer Inzuchtdepression. Ferner werden durch die Inkulturnahme eines Menschens die natürliche Selektion "nur die Stärksten überleben" (die in der Evolution so entscheident ist) außer Kraft gesetzt. Deshalb sollte man idealerweise möglichst viele Pflanzen (Hobbygärtner-Maßstab: 25-30 Pflanzen) pro Sorte halten und jedes Jahr (= jede Generation) nur Samen von der oder die fittesten Pflanzen machen. So wird nur die Pflanze "mit den besten Genen" weitervermehrt. Das ist dann eine Selektion. Im Vorfeld macht man typischerweise zwei weitere Selektionen. Bereits bei der Aussaat sät man möglichst viele Samen aus und pikiert später nur die stärksten. Und später werden auch nur die stärksten Jungpflanzen ausgepflanzt. Die restlichen Keimlinge und Jungpflanzen landen auf dem Kompost. Oder verschenkt, verkauft sie weiter oder pflanzt sie an einer separaten Stelle, wenn man das nicht übers Herz bringt. Neben der "dreifachen Selektion" gibt es zusätzlich noch eine weitere Methode, die man anwenden kann, um der Inzuchtdepression gegenüber zu treten, die dann auf der dreifachen Selektion aufbaut: Man kreuzt die zwei vitalsten Pflanze im Bestand einer Sorte miteinander. Obwohl es ja die identische Sorte ist. So kommt es zu einem genetischen Austausch.
Natürlich macht man sich im Heimgarten keinen solchen Aufwand. Man hat ja schließlich auch noch was anderes zutun. Und es ist ja nur Hobby. Und die muss in erster Linie auch Spaß machen. Ich mache es so: Wenn der eigene Samen nicht mehr tut, weil es im Laufe der Zeit zu einer Inzuchtdepression gekommen ist und weil die natürliche Selektion ausgesetzt wurde, kauf ich mir frisches Saatgut. Und das reicht dann wieder für 8 Jahre. Nur bei Sorten, wo der Kauf von frisches Saatgut nicht möglich ist, beispielsweise eigene Züchtungen, Mutanten, Familiensorten und so weiter würde ich strikt so vorgehen, um die Gesundheit meiner Sorte zu erhalten.
So, ich hab fertig. Wahrscheinlich bist du nun erschlagen. Aber das war ja gewissermaßen so auch beabsichtigt. Wenn du auf der Spur Gregor Mendels bist, dann nur zu. Mach ein paar Absaaten, kreuze etwas. Beobachte ganz im Sinne des Hobbygartens, wie Genetik funktioniert. Warum beim Kreuzen einer normalblättrigen mit einer kartoffelblättrigen Tomate der Nachwuchs (F
1) alles normalblättrige Pflanzen sind. Und warum 25% der Enkel (die F
2 - große Aufspaltung) nun doch kartoffelblättrig ausfallen, während die restlichen 75% aber doch normalblättrig sind.
(es hat was mit dem rezessiven Gen "c" für Kartoffelblättrigkeit zu tun)
Zu Deiner Unbekannten vom Bauernmarkt: Für micht ist das keine Kumato F
1. Die Früchte sind von der Fruchtform her zu platt. Die Fruchthaut zu matt. Die Rippung zu stark ausgeprägt. Und das Fs-Gen (die Streifen) hat die Kumato auch nicht.
Wieviel bringt die Frucht auf die Waage? Wieviele Fruchtkammern hat diese? Hatte die Verkäufern weitere so exotische Tomatensorten im Angebot?
Grüßle, Michi