Samenfeste Sorten vermehren

Tomatenmann

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Hallo, ich stolpere immer wieder über das Thema samenfeste Sorten und möchte es nun selbst probieren.

Was ist, wenn ich beispielsweise verschiedene samenfeste Tomatensorten anbaue, kommt es dann nicht unweigerlich zur Kreuzung?

Über Antworten würde ich mich sehr freuen.
 
  • Supernovae

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    Kann passieren, deshalb machen viele es hier so, das sie mechanisch verhüten.

    D. h. Gaze oder Teebeutel drum wenn die Knospen noch geschlossen sind, Tüten regelmäßig anschnippen.
    Wenn Früchte geblidet worden sind, Tüte ab und verhüteten Strang markieren.
    Falls es noch offene/nicht bestäubt, Tüte weiterschieben, oder offene Blüten abknipsen.
     

    Tomatenmann

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    Kann passieren, deshalb machen viele es hier so, das sie mechanisch verhüten.

    D. h. Gaze oder Teebeutel drum wenn die Knospen noch geschlossen sind, Tüten regelmäßig anschnippen.
    Wenn Früchte geblidet worden sind, Tüte ab und verhüteten Strang markieren.
    Falls es noch offene/nicht bestäubt, Tüte weiterschieben, oder offene Blüten abknipsen.

    Danke, das macht Sinn.
     
  • Sunfreak

    Unreife Tomate
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    Nun, grundsätzlich kann es bei Tomaten zu Verkreuzungen kommen. Sie passieren allerdings seltener als bei manch anderem Gemüse.

    Tomaten sind Vibrationsbestäuber. Will heißen: Bekommt die Blüte eine Vibration ab, dann löst dies die Bestäubung aus. Meist ist der Wind dafür der Auslöser. Aber auch Hummeln machen den Job. Gerade Hummeln sind dann die Übeltäter bei Verkreuzungen.

    Zur Anatomie der Tomatenblüten:

    355593d1379460574-wieder-falsche-sorte-tomatenbluete.jpg


    Die Blüten sind zwittrig: Männliche, zu einer Röhre verwachsenen Staubbeutel (da ist der Pollen drauf, in dem Foto "Staubblätter" genannt). Und inmitten dieser Röhre der weibliche Griffel, an dessen Ende die Narbe ist (da muss der Pollen hin).

    Beim Auslösen der Vibrationsbestäubung fällt der schwachklebende Pollen von den Staubbeuteln nach unten, der Röhre entlang und trifft auf die Narbe. Bestäubung abgeschlossen.

    Maßgeblich wie hoch die Risikorate einer Fremdbestäubung ist, liegt an der Narbe. Ob diese sich versteckt in den röhrenartigen Staubbeuteln. Oder ob diese aus den Staubbeuteln herausragt und somit der an Hummeln anhaftende Pollen auf die Narbe transferiert werden kann.

    Schaut die Narbe heraus ist das Risiko relativ hoch, wenn nicht, dann relativ niedrig (aber dennoch ist eine Verkreuzung möglich).

    Der wichtigste Faktor für herausstehende Narben ist die Sorte selbst. Die einen Sorten machen eine herausstehende Narbe, die anderen nicht. Oftmals sind es Fleischtomaten, die eine herausstehende Narbe haben, da der im Innern der Blüte sich befindliche (noch unbestäubte, aber große) Fruchtknoten den Griffel und die Narbe herausdrücken.

    Weitere Faktoren sind eine blöd gewachsene Blüte, bei dem der Griffel und die Narbe irgendwie blöd seitlich rausgucken. Oder die Pflanze nun aus irgend 'ner Launigkeit heraus nun doch längere Griffel mit herausstehenden Narben produziert, als gedacht oder erwartet.

    Sich absichern, um sortenreines Saatgut gewinnen zu können, kann man, in dem man den Blüten etwas drüber stülpt, damit keine Hummeln mehr dran kommen - hier im Forum scherzhaft Verhüterli genannt:

    verhueterli-jpg.408394


    Oftmals kommt dann auch der Wind nicht mehr anständig durch, sodass die Bestäubung unter solchen Verhüterlis ausbleibt. Ideal ist es daher, wenn man händisch die Blüten noch schüttelt oder anschnipst. Am Besten klappt das am späten Vormittag.

    Wichtig: Nur luftdurchlässiges auf den Blütenstand aufsetzen! Keine Plastiktüte! Sonst entsteht zu hohe Luftfeuchtigkeit darunter, welche den Pollen verkleben lässt. Bestäubung dann nicht mehr möglich.

    Hat man mit dieser Methode Probleme, kann man auch einen Steckling aus einem Geiztrieb gewinnen. Lässt diesen an der hummelfreien Fensterbank im Haus blühen. Schüttelt die Blüten zur Bestäubung händisch (im Haus kein Wind, außer bei entsprechender Ernährung). Und wenn Früchte angesetzt haben, verpflanzt man den Steckling in den Garten.

    Zusammengefasst kann man sagen, dass Tomaten recht starke Selbstbestäuber sind. Jedoch mit 'nem gewissen Hang zur Fremdbestäubung (und somit zur Verkreuzung).

    Der absolut überwiegende Teil der Blüten wird selbstbestäubt. Das birgt aber ein zweites Risiko. Über mehrere Tomatengenerationen hinweg kommt es unweigerlich zu einer Inzuchtdepression. Die Vitalität (gesunder Wuchs, Ertragsleistung, Krankheitsanfälligkeit, ...) nimmt ab. Die Sorte wird über die Zeit bei der eigenen Vermehrung quasi schlechter.

    Der Inzuchtdepression kann man begegnen, wenn man bei der Vermehrung eine stetige Auslese (= Erhaltungszüchtung) betreibt. Das fängt schon früh an, in dem man nur die kräftigsten Keimlinge pikiert. Und endet damit, dass man nur von der oder den kräftigsten, vitalsten Pflanzen mit den sortentypischsten Merkmalen Samen gewinnt (das braucht ein geübtes Auge und Protokollführung (z.B. Notiz über den Ertrag pro Pflanze). Um eine Auslese betreiben zu können, erfordert es 20-25 (oder mehr) Pflanzen pro zu vermehrender Sorte.

    Nun, Auslese/Erhaltungszüchtung und isolierter Anbau (keine Verkreuzung) ist ein absolutes Muss für professionelle Saatguterzeuger. Im Hobbygarten kann man den Maßstab selbst anlegen. Ob man das mäßige Risiko eine Verkreuzung eingeht oder eben "verhütet" und ob man in eine Erhaltungszüchtung Zeit & Arbeit investiert, oder ob man die Inzuchtdepression hinnimmt.

    Sind es bekanntere Sorten, kann man diese beispielsweise wieder frisch nachkaufen, wenn das eigene Saatgut irgendwann nix mehr taugt. Hat man aber beispielsweise irgend eine sehr seltene Sorte (z.B. Familiensorte), die es sonst nirgends mehr gibt. Ja, dann ist die o.g. Vorgehensweise in Sachen Isolation & Auslese absolut notwendig, um das Aussterben der Sorte zu verhindern.

    Bei allen Überlegungen, welchen Aufwand man bei der Samengewinnung treiben soll, muss man bedenken, dass man ja in aller Regel nicht jährlich frisches Saatgut (= entspricht einer Generation) gewinnen muss. Bei sehr guter Lagerung sind Tomatensamen durchaus auch bis zu 10 Jahre haltbar.

    Angenommen man würde von einer Sorte alle 5 Jahren Samen gewinnen. Dann wäre man nach 20 Jahren, 4 Generationen weiter. Praktische Erfahrung mit Inzuchtdepression habe ich noch keine (dafür bin ich und mein Hobby noch zu jung), aber spürbare Auswirkungen würde ich - Pi x Daumen - in diesem Beispiel erst nach 4 Generationen / 20 Jahren erwarten.

    Persönliche Empfehlung: Die meisten Hobbygärtner bauen Sorten an, die relativ bekannt und verbreitet sind. Einen besonderen Auftrag eine Sorte erhalten zu müssen (d.h. vor dem Aussterben zu bewahren) ergibt sich daher meist nicht. Und meist geht es auch nur darum den Eigenbedarf an frisches Saatgut zu sichern. Ich würde daher Sorten, die ihre Narbe überwiegend verstecken, offen abblühen lassen. Bei Sorten mit herausstehender Narbe kann man sich ja ein Verhüterli überlegen. Und wenn man beabsichtigt dieses Jahr von einer bestimmten Sorte Samen gewinnen zu wollen, kann man davon ja mehr pflanzen als üblich (Auslese mit 3 Pflanzen ist besser als nix). Und wenn das Saatgut nix mehr taugt (Vitalität nachlässt oder verkreuzt), einfach frisches kaufen.

    Aber wiegesagt, den Maßstab legt jeder Hobbygärtner für sich selbst fest...

    Es wäre aber anständig, wenn man selbstgewonnenes Saatgut weitergibt, darauf hinzuweisen, wenn man auf Isolation & Auslese verzichtet hat.

    Grüßle, Michi
     
    Zuletzt bearbeitet:
  • Tomatenmann

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    Hallo Sunfreak,

    vielen Dank für deinen sehr ausführlichen Bericht, der dir einiges an Zeit gekostet haben dürfte.

    Es ist insofern schon mal gut zu wissen, da in der Nachbarschaft eine Dame mit sehr vielen alten samenfesten Sorten wirbt, die sie als Jungpflanzen anbietet. Ich habe dort aber so ein Prozedere noch nicht ausmachen können.

    Da steht alles kreuz und quer und ich habe mir überlegt, wie das gehen soll.

    Ich werde mein Glück probieren.
     
  • Desperado

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    Der absolut überwiegende Teil der Blüten wird selbstbestäubt. Das birgt aber ein zweites Risiko. Über mehrere Tomatengenerationen hinweg kommt es unweigerlich zu einer Inzuchtdepression. Die Vitalität (gesunder Wuchs, Ertragsleistung, Krankheitsanfälligkeit, ...) nimmt ab. Die Sorte wird über die Zeit bei der eigenen Vermehrung quasi schlechter.

    Der Inzuchtdepression kann man begegnen, wenn man bei der Vermehrung eine stetige Auslese (= Erhaltungszüchtung) betreibt. Das fängt schon früh an, in dem man nur die kräftigsten Keimlinge pikiert. Und endet damit, dass man nur von der oder den kräftigsten, vitalsten Pflanzen mit den sortentypischsten Merkmalen Samen gewinnt (das braucht ein geübtes Auge und Protokollführung (z.B. Notiz über den Ertrag pro Pflanze). Um eine Auslese betreiben zu können, erfordert es 20-25 (oder mehr) Pflanzen pro zu vermehrender Sorte.

    Nein, was Du schreibst, ist nicht richtig. Bei Pflanzen, die sich weitestgehend selbst befruchten und die nicht zwingend auf fremden Pollen angewiesen sind, führt ein hohes Maß an Homozygotie (erreicht man durch wiederholte Selbstung und Ausmerzung der Abweichler) zu keiner Inzuchtdepression. Die gibt es nur bei Fremdbefruchtern (z.B. Mais oder Roggen).
    Die weitaus meisten Pflanzen sind Selbstbefruchter. Diese Strategie hat natürlich Vorteile, weil sie das Überleben der Art bei ungünstigen Umweltbedingungen (kein Wind, keine Insekten, keine Pflanzen der gleichen Art vorhanden) besser absichert.
    Bei Fremdbefruchtern und fakultativen Fremdbefruchtern ist in der Hybridzüchtung der Heterosiseffekt hingegen deutlich höher.
     

    Desperado

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    Kann passieren, deshalb machen viele es hier so, das sie mechanisch verhüten.

    D. h. Gaze oder Teebeutel drum wenn die Knospen noch geschlossen sind, Tüten regelmäßig anschnippen.
    Wenn Früchte geblidet worden sind, Tüte ab und verhüteten Strang markieren.
    Falls es noch offene/nicht bestäubt, Tüte weiterschieben, oder offene Blüten abknipsen.

    Genau so wird das gehandhabt!
     
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