Hallo zusammen,
nun, ich für mich meine schon behaupten zu können, dass ich den politischen Entscheidungsprozess und das baurechtliche Genehmigungsverfahren so einigermaßen auseinanderhalten halten kann - ich bin aber keine Verwaltungsfachkraft und kenne mich somit mit den einzelnen Punkten des baurechtlichen Genehmigungsverfahren nicht so gut aus.
Ich sehe das Hauptproblem darin, dass das Projekt Stuttgart 21 zu komplex ist, als dass man es so einfach der politischen bzw. der baurechtlichen Schiene zuordnen könnte. Weiterhin hat dieses Projekt sehr viele Wendungen genommen, wurde zwischenzeitlich mal von der Bahn, dann von der Politik auf Eis gelegt - um später wieder aus der Taufe gehoben zu werden.
Zurück zu den beiden Entscheidungsschienen. Ich beginne mit der zweiten, dem baurechtlichen Genehmigungsverfahren, in diesem Bereich gibt es sicherlich weniger konkret zu beanstanden - auch wenn es dort "einige" Einsprüche gegeben hat. Bereits gegen das Raumordnungsverfahren 1997 wurden lt. Wikipedia mehr als 13.000 Einwendungen vorgebracht. Wieviele Einsprüche es bei den einzelnen Planfeststellungs-Abschnitten gegeben hat konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen, es sind ja auch noch nicht für alle Abschnitte die Planfeststellungverfahren eröffnet worden. Grundsätzliches Problem beim baurechtlichen Genehmigungsverfahren sehe ich halt darin, dass nur die direkt betroffenen Gemeinden bzw. Bürger einbezogen werden. 1997 habe ich schon seit ein paar Jahren nicht mehr in Stuttgart gelebt, ja ich war sogar bereits wieder von Ulm in meine Heimatstadt gezogen, war also ganz klar nicht mehr direkter Anwohner der Neubaustrecke bzw. des Bahnhof-Projekts. Ich konnte also gar keine Einwendung erheben - auch wenn ich sicherlich von diesem Projekt betroffen bin.
So wende ich mich jetzt also dem politischen Entscheidungsprozess zu - und ich möchte auch behaupten, dass sich ein Gutteil des Protests gegen den politischen Entscheidungsprozess richtet. Die politische Schiene ist aber nicht so einfach zu beurteilen. Hätte sich denn das Wahlvolk bei der OB-Wahl von Stuttgart, bei der Landtagswahl oder bei der Stuttgarter Gemeinderatswahl gegen Stuttgart 21 entscheiden können? Welches politische Gremium ist denn zuständig für das Megaprojekt?
Bei der Stuttgarter OB-Wahl 2004 war Stuttgart 21 schon ein großes Thema. Es war aber nur ein Kandidat ein erklärter S21-Gegner. Und der war mit seinen 32 Jahren sicherlich für manchen aus dem Wahlvolk einfach 'zu jung'. Bzw. er war Mitglied einer Partei, die für viele konservative, ältere Wähler eben doch nicht wählbar ist. Das ist überhaupt ein ganz wichtiger Punkt: Von den vier Parteien, die 2006 in den Landtag von BaWü eingezogen sind, befürworten drei Stuttgart 21. Das schränkt die Wahlmöglichkeiten von allen Leuten, die gegen Stuttgart 21 sind, doch massiv ein. Weiterhin darf man ja nicht vergessen, dass man sich durch sein Kreuzle irgendwie für ein 'Gesamtpaket' entscheiden muss, da geht es ja um viele, viele weitere Entscheidungen, die während einer Legislaturperiode von der gewählten Partei getroffen werden. Für mich ist es irgendwie 'falsch', wenn jetzt alle Bürger, die ein Zeichen gegen Stuttgart 21 setzen wollen, sich für mindestens fünf Jahre Grün entscheiden müssen. So bin ich ganz klar dafür, dass es bei strittigen Großprojekten viel leichter/schneller zu einer Volksabstimmung kommen sollte. Ich erinnere an das Grundgesetz Art.20: "(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt." Das Volk muss einfach auch noch ein Veto-Recht haben, wenn eine Entscheidung der Politiker (vermeintlich) falsch ist.
Lieben Gruß
Orlaya