Du warst ja auch gar nicht gemeint. Ich bezog mich darauf:
Vielleicht ist Lieschen M. ja immer die Parallelstrecke im Osten gefahren, auf der Weststrecke konnte man in den 80er-Jahren jedenfalls die Lichter in den Fenstern sehen. ...
Richtig! Und dort sah man nicht in die Fenster.
Diese Geschichte trug sich wirklich zu:
Eine Bekannte von mir wohnte direkt an der S-Bahnstrecke in der Brehmestr. Sie teilte sich die Wohnung mit einer blinden Mitbewohnerin.
Ihre Schwester wohnte auf der gegenüberliegenden Seite der S-Bahn in der Stegerstr. Die eine wohnte also in Ost- die andere in West-Berlin. Die ersten Jahre nach dem Mauerbau durften sie sich nicht besuchen. Als nun die Ostberlinerin in Rente ging, durfte sie für drei oder vier Wochen zu ihrer Schwester in den Westen fahren.
In der Adventszeit war es dann soweit. Die Genehmigung war erteilt und sie lief mit ihrem Koffer zur Straßenbahn und fuhr eine Stunde zum Grenzübergang in der Friedrichstraße (Tränenpalast) und von dort noch einmal eine Stunde zurück, um die schräg gegenüber ihrer Wohnung wohnende Schwester zu besuchen (Fußweg wäre keine 5 Min.).
Nun konnten beide Schwestern gemeinsam die Wohnung der im Osten wohnenden Schwester sehen und sahen ein auch tagsüber helles Küchenfenster. Auch noch am nächsten und übernächsten Tag. Da mußte doch die blinde Mitbewohnerin versehentlich den Lichtschalter der gemeinsam genutzten Küche betätigt haben, war die Vermutung der Schwestern.
Weil die Rente der Schwester nicht sehr üppig und diese auch noch eine sparsame Frau war, der Strom über ihren Zähler ging, packte sie wieder ihren Koffer und brach den Besuch bei der Schwester schweren Herzens ab. Telefonieren, um die Angelegenheit zu klären, konnte sie nicht, weil in der Wohnung und auch bei den Nachbarn kein Telefonanschluß vorhanden war.
Den Urlaub unterbrechen, um dann doch noch mit der Schwester gemeinsam Weihnachten zu feiern, ging auch nicht. Man mußte die genehmigte Zeit mit einer einmaligen "Ausreise" im Zusammenhang nutzen.
Zu Hause wieder angekommen, sah sie hinter dem Fenster einen Schwibbogen mit echten Kerzen, angezündet von der Mitbewohnerin, die ihr einen Gruß über die Grenze schicken wollte.