Kleine Zufälle und große Überraschungen
Wie gelingt es mir jetzt, die technikaffinen Freunde alter Rasensprenger und die offenbar zahlreichen „Spökenkieker“, die in diesem Thread gelegentlich vorbei schauen, gleichsam mit dieser (sicher nicht für jeden Leser gleichgroßen) Überraschung gut zu unterhalten?
Die Ausgangslage bildet der Glücksfund eines „Regenapparates“, dessen Firmenschild auf einen Apparatebau in Pirna hinweist
oder
Der erste großartige Zufall führte im Pirnaer Stadtarchiv zu einem Hinweis in der Gewerbeakte, dass Karl Gasch 1947 beauftragt wird, 250 Beriesler für die Landwirtschaft herzustellen
Offen blieb jedoch die Frage, wer die Entwicklungsarbeit für diesen wunderbaren Regner leistete.
Vor ein paar Tagen schrieb mir Kannenfreund Rachlinger, ob ich denn mit seinem jüngsten Prospektfund etwas anfangen könnte.
Gern gebe ich zu, dass hier erst mit Rachlingers unerschöpflichen Prospektfundus die richtig großen Sprünge in der Erkundung der Rasensprengergeschichte gemacht werden konnten. Im konkreten Fall: Ein klares „Ja, und ob - meinen Dank für die tatkräftige Unterstützung!“
Wie die Offerte deutlich zeigt, ist der vermeintliche „GASCH“ also eher ein Siemens Schuckert Regner, der nur von Karl Gasch „assambled“ wurde. Wie auch immer er zu den Materialien und Konstruktionsunterlagen gekommen sein mag.
Jetzt gab es ein Stichwort, nach dem das Netz durchforstet werden konnte: Regenanlagen von Siemens Schuckert! Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass Siemens in der gewerblichen Bewässerungswelt schon vor diesem Hinweis einen festen Platz in meiner Erinnerung hatte. Die Siemens Schuckert Regenkanone (ein nettes Thema für weitere Winterabende) oder der Michaelis Propeller Regner (bereits in Posting 295 erwähnt) sind Stichworte, die ich vor Jahren niemals im Portfolio des Elektro-Konzerns vermutet hätte.
Kurz um: Neben einem Hinweis zum Siemens Schuckert „Viereckregner“, den ich in einer digitalisierten „Gartenwelt-Ausgabe“ aus den 20er Jahren fand, hatte das Berliner
Museum der Dinge folgenden Prospekt im Archivbestand:
Wer es geschafft hat, einen Teil der 310 Postings dieses Threads zu lesen, kann sich zweifelsfrei damit brüsten, einen ganz passablen Überblick über die in unserer Heimat viel und gern gekauften Regner des 20. Jahrhunderts zu haben. Derjenige wird möglicher Weise auf den ersten Blick einen Kreis- oder Drehstrahlregner von einem Rechteckregner unterscheiden können… das jedenfalls, glaubte ich von mir bis gestern…
Dieser Siemens Schuckert Regner ist ein Rechteckregner!
Tja lieber Sprengerfreak, wir müssen uns als jeweils glückliche Besitzer dieses Regners wohl oder übel eingestehen, dass wir das nicht so richtig überprüft haben. Das ist die eigentliche Sensation.
Das Siemens Produktmanagement beschreibt die Funktion so:
Der austretende Wasserstrahl beschreibt also einen Kreis und würde eine Kreisfläche bewässern.
Damit aber bei kreisförmig umlaufender Düse ein Viereck beregnet wird, ist folgende Anordnung getroffen (Bild 4): Das Aufsatzstück 3 trägt eine einem Viereck ähnliche Kurvenscheibe 5. Auf dieser gleitet, sobald sich das Gehäuse dreht, ein im Gehäuse drehbar gelagerter Hebel 7. Dieser Hebel 7 beschreibt an seinem Berührungspunkte e mit der Schneckenwelle 11 eine Auf- und Abwärtsbewegung, die sich auch auf das Flügelrad 6 überträgt. Das Flügelrad 6 hat konische Form, so daß es bei seiner Höchststellung von dem aus der Düse austretenden Wasserstrahl nur wenig getroffen wird, der dabei fast seine größte Reichweite hat. Diese Stellung entspricht der Ecke B des zu beregnenden Vierecks.
Bei der Abwärtsbewegung tritt langsam der sich am FIügelrad 6 befindliche Ring 26 in den Wasserstrahl und zerteilt denselben, wodurch die Reichweite des Wasserstrahles zurückgeht. Die tiefste Stellung entspricht dem Punkt C in der Mitte einer Seite des zu beregnenden Vierecks.
Die Fläche, die der Wasserstrahl in der EcksteIlung zu beregnen hat, ist bei gleichem Drehwinkel größer als die in der flachen Seite eines Vierecks, wie ein Vergleich der beiden schraffierten Flächen
in Bild 4 ohne weiteres zeigt. Da die austretende Wassermenge aus der Düse immer die gleiche bleibt, ist eine Änderung der Umlaufgeschwindigkeit des Regners erforderlich. Infolge der konischen Ausbildung des Flügelrades erhöht sich die Drehzahl bei der Abwärtsbewegung (flache Seite) und verringert sich bei der Aufwärtsbewegung (EcksteIlung). Während einer ganzen Umdrehung wiederholt sich dieser Vorgang viermal.
Alles klar? Rasensprengersammlers Herz lacht angesichts dieser Ingenieursfinesse…
Es gab offenbar noch Variationen dieses Regners, die einen Einsatz in Schrägstellung unterstützten.
Unstrittig ist, so finde ich, dass dieser Siemens Schuckert Regner wirklich zu den beeindrucktesten Bewässerungsapparaten zählt, die die Bewässerungstechnik des frühen 20. Jahrhunderts bereit hält.
Wenn wir mal von jenem unglaublichen und 25 Jahre älteren Zeysolff absehen - Aficionado hat Bilder dieses Apparates in Aktion bei nächster Gelegenheit bereits avisiert.
Der Regner war bisher nicht nur im Berliner Stadtrand in Aktion