Vorlesen - find ich gut!

  • Ersteller Ersteller käferli
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Preston/Child “Riptide - mörderische Flut”

Zur Erholung vom blutrünstigen Massenmörder kam der Schatzsucher-Roman von dem bewährten Autorenduo gerade recht.

Die Story klingt vielversprechend: moderne Hoch-Technologie contra raffinierte Höhlen-Baukunst aus dem 17. Jahrhundert. Wenn ein erfolgreicher Pirat einen begnadeten Kirchenbauer entführt, um von ihm ein Versteck für seine Schatullen bauen zu lassen, so muss er sich nicht wundern, wenn das dafür entworfene Unterwasser-Höhlensystem mit todbringenden Fallen versehen ist. Im Laufe der Jahrhunderte kam denn - nebst dem Auftraggeber der Anlage daselbst - auch so mancher hoffnungsfrohe Schatzsucher zu Tode.

Der sich diesmal daran wagt, hat ein geheimes, verschlüsseltes Tagebuch des Baumeisters in Händen. Der erhoffte 2-Milliarden-Fund rechtfertigt den Einsatz einer kleinen Privatflotte samt eines hochkarätiges Teams von Ingenieuren, Kryptographen und Computerspezialisten mitsamt allen erdenklichen Gerätschaften. Klingt fast nach einem Routinejob, doch auf die Autoren ist Verlass: natürlich endet die Aktion stressig und alles versinkt im Chaos.

Schon in anderen Werken des Autorenduos erschien mir John Pipers knörzelende “Alf”-Stimme einigermaßen dominierend bis aufdringlich. Als der Sprecher diesmal aber noch eine Frauenstimme mimt, mit einem unsäglich künstlichen “französischen” Akzent, dann weiß man nimmer ob man lachen oder weinen soll. Mon Dieu!

Der arg dick aufgetragene showdown glänzt mit grottenschlechten Dialogen, gegen die Einbein John Silver als vor Geist sprühend erscheint. Die Guten artikulieren sich höflich und korrekt, die Bösewichter reagieren mit unversöhnlicher Verschlagenheit, so dass ihnen das Ende gerade recht geschieht. Amüsant zu "lesen" und entspannend!
 
  • Harlan Coben "Kein Sterbenswort"

    Acht Jahre ist es her, dass Dr. Becks Frau - die große Liebe seines Lebens - ermordet wurde. Und nun erhält er unvermutet anonyme mails, die dem Anschein nach nur von seiner Frau kommen können. "Kein Sterbenswort" soll er darüber verlauten lassen.

    Der sympathische Doktor begibt sich in banger Hoffnung auf die Suche nach der Verschollenen. Doch er hat dabei mit verschiedenen Widrigkeiten zu kämpfen: zum einen steht er unter Mordverdacht, zum anderen interessieren sich auch äußerst unangenehme Gestalten für den Verbleib der Gattin.

    Die Story ist mit Witz geschrieben, ab der Mitte hat man ein wenig zu kämpfen, um nicht die Übersicht über die Figuren zu verlieren. Nach und nach enthüllt sich dem Leser, was sich vor acht Jahren zugetragen hat. Bis zum Schluß hält der spannende Roman immer wieder Überraschungen parat, wenngleich die Auflösung ein klein wenig konstruiert erscheint.
     
    Donn Cortez “Closer”

    Krank. Verstörend. Abstoßend. Aber auch intelligent konstruierte Hochspannung.

    Nachdem ich das Hörbuch zu Beginn beinahe empört ausgemustert hätte, habe
    ich es dann doch nicht bereut, bis zum Ende durchgehalten zu haben.
     
  • Cecelia Ahern “Ich hab dich im Gefühl”

    Unendlich seichte “Fantasy”-Schmonzette.

    Die vollidiotische Story (durch eine Bluttransfusion übertragen sich Wissen und Befindlichkeit des Spenders auf die Empfängerin) hätte ich der Autorin noch als Freiheit der künstlerischen Phantasie nachgesehen. Hätte man vielleicht sogar etwas daraus machen können. Aber die Figuren - nee, nee.

    “Sie” hat kürzlich ihr Baby verloren. Trotz leichenbitteren Gedankenguts will sich ihre Trauer einfach nicht so recht vermitteln. “Er” soll wohl ein humoriger Jungdozent sein. Leider erhält der Leser auch in sein flaches Gedankengut mehr Einblick, als ihn wirklich interessiert.

    Der alberne Laffe und das farblose Mädchen werden sich aller Voraussicht nach ineinander verlieben. Obwohl ich den beiden ihre Liaison von Herzen gönne, wünsche ich selbst nicht weiter an der Entwicklung derselbigen teilzuhaben.
     
  • John Katzenbach “Das Rätsel”

    wieder mal ein Profiler in Aktion. Doch es gibt auch eine Überraschung: diesmal spielt die Handlung in einer unbestimmten, nahen Zukunft in den USA, welche von ungehinderter Gewalt geprägt ist. Aus diesem Grund steht die Anerkennung eines neuen (des “51-ten”) Bundesstaates unmittelbar bevor, einer Vorzeigeregion, die sich als gewaltfreie Zone für Gutbetuchte versteht.

    Im Prinzip wäre dies Ambiente das reinste Schlaraffenland für einen hungrigen Mordbuben. Aus politischen Gründen werden die grausigen Leichenfunde nämlich samt und sonders unter den Teppich gekehrt. Doch unser Bösewicht, intelligenter, böser und auch ehrgeiziger als der Durchschnittsmassenmörder, sieht sich um die Anerkennung seiner Missetaten gebracht.

    Als der weltbeste Profiler - welcher "zufällig" auch sein eigener Sohn ist - mit seiner Unschädlichmachung beauftragt wird, kommt es zu einem gegenseitigen Katz und Mausspiel. Der scheinbar allwissende Schurke möchte mit der Ermordung seines aus der Art geschlagenen Nachwuchses nicht nur sein Lebenswerk krönen, sondern gleichzeitig auch die Anerkennung des neuen Staates verhindern.

    Schade, dass die Science-Fiction-Idee etwas kurz kommt. Doch der originelle Showdown macht das Manko wieder wett. Fast schon am Ziel seiner Träume, muss der der furchteinflößende Supermörder eine entscheidende Schlappe einstecken (so viel darf sicherlich verraten werden), weil er buchstäblich nicht bis drei zählen kann.
     
    Harlan Coben "Schlag auf Schlag"

    Wieder einmal ermittelt der Sportagent Myron Bolitar auf eigene Faust: als ein von ihm betreutes Tennis-Wunderkind erschossen wird, beginnt er in dessen Vergangenheit herumzustochern.

    Herrlich frech und boshaft die Sprache. Betont distinguierte Formulierungen konkurrieren mit plastischen Beschreibungen, die meist trocken und deftig zugleich sind. Ob es um Einrichtung geht ("ein Sessel, bequem wie ein Lungenbeatmungsgerät"), um Erotik ("der Laden erinnerte eher ein Cellulite-Forschungszentrum als an einen Hort männlicher Phantasien) oder um Mode ("durch die Löcher ragte das Brusthaar, von welchem reichlich vorhanden war"), jeder und alles kriegt sein Fett weg.

    Unterhaltsam, aber auch spannend. Nicht direkt zum Fingernägel-Beißen, aber doch so, dass man das Buch nur höchst ungern auf die Seite legt.

    Zu dem ohnehin schon spritzigen Schreibstil kommt noch die überragende Lesekunst von Detlev Bierstedt hinzu, der das Lesen der locker-provozierenden Dialoge richtig zu genießen scheint. Er liest so frech und süffisant, dass ich gestern beim Einkaufen an der Kasse vor Prusten das Wechselgeld verstreute.
     
  • Sodele, nach diesen ausgiebigen Aufräumungsarbeiten geht es wieder weiter mit frischem Lesefutter...

    Thomas Enger “Sterblich”

    Schon wieder ein skandinavischer Krimi, Norwegen diesmal. Schon sehr spannend, grausig auch, mit scheinbar islamistischem Bezug. Die Handlung - intuitiv begabter Journalist ermittelt in Eigenregie - wäre sogar recht packend.

    Schon ganz hervorragend gelesen von Matthias Brandt, dem Sensiblen und Einfühlsamen unter den Vorlesern, auf den ich mich ganz besonders gefreut hatte.

    Nur … der aussergewöhnliche Plot ist reine Staffage. Blosser Hintergrund, um zu zeigen, wie der Reporter Henning Juul einen tragischen Schicksalsschlag zu verarbeiten versucht. Und in der Tat berührt der Tod seines kleinen Sohnes mehr als der des Mordopfers. Der schuldgefühlbeladene, traumataisierte Henning hat mein volles Mitgefühl, doch für einen so ergreifend melancholischen Krimi muss man schon in der richtigen Stimmung sein. Ein eigenwilliger Schreibstil mit schnörkellosen Präsens-Sätzen rundet den Gesamteindruck ab.
     
    Jo Nesbo “Die Larve”

    Der norwegische Krimi beginnt mit einem Mord im Drogenmilieu. Der schwer verletzte Dealer und Süchtling Gusto liegt im Sterben. Während die Mordermittlungen schrittweise vorankommen, rekapituliert Gusto in separaten Einschüben sein verkorkstes Leben. Am Ende des Buches trifft das Ende seiner Schilderungen mit der Auflösung des Falles zusammen.

    Kult-Ex-Cop Harry Hole stellt private Nachforschungen an, um im Dickicht der Korruption die Unschuld seines unter Mordverdacht stehenden Sohnes zu beweisen. Ein wahrhaft unverwüstlicher Haudegen im Stil von “Stirb langsam”. Wozu auch einen Arzt herbeirufen, wenn man Nähzeug und Krepp-Klebeband im Hause hat.

    Die Erzählstimme spricht Achim Buch, die Rückblenden des sterbenden Gusto werden von Rafael Stachoviak gelesen. Normalerweise höre ich lieber “aus einer Hand” doch die stimmliche Trennung grenzt hier sehr klar ab zwischen Ermittlung und Rückblende.
     
    Andreas Föhr “Schafkopf”

    Mein erster "Alpen-Krimi". Der aufzuklärende Mordfall wird in unübertrefflicher Deftigkeit geschildert und liegt weit jenseits meiner Ekel-Schwelle. Obwohl Figuren und Dialoge mit trockenem Humor und Augenzwinkern beschrieben werden, handelt es sich nicht - wie zunächst befürchtet - um eine reine Klamotte.

    Die Story wechselt in verwirrenden Zeitsprüngen zwischen der Aufklärung des Mordfalles und der Schilderung der zwei Jahre zurückliegenden Vorgeschichte, welche dem Leser in sauspannenden kleinen Häppchen dargereicht wird. In Letzteren erfährt man Schritt für Schritt, was sich wirklich zugetragen hat. Eine aberwitzige Kombination von Zufällen mündete zuletzt in eine Katastrophe. Das düstere Milieu der Kleinkriminalität und die Trostlosigkeit häuslicher Gewalt wirkt authentisch und schaurig zugleich.

    Im Gegenwarts-Strang geht es dagegen beschaulicher zu. Die Ermittler walten ihres Amtes, und eine Reihe von Zufällen spielt ihnen irgendwann die Auflösung der Verbrechen zu. Bemerkenswert sind die Typen, die man dabei kennenlernt. Der Bayer wird als Klischee seiner selbst beschrieben: ob gewalttätig oder gutartig - bauernschlau ist er fast immer. (Zitat: “…weil der begreift, dass er ist nicht ein Steuerhinterzieher ist, sondern ein Hund”)

    Sehr reizvoll ist die urtümliche Sprache, die sich gerne typisch bayerischer Redewendungen bedient. Die Beschreibung der Umgebung im Tegernseer Raum, mit seinen Bergen, lässt den Leser in ein ländliches Idyll eintauchen.

    Sein ganz eigenes Flair verdankt das skurrile Werk der unglaublichen Lesekunst von Michael Schwarzmaier, der den (auch für Nicht-Bayern verständlichen) Dialekt lebendig umsetzt - einfach sauguad. Jede Figur hat eine eigene unverwechselbare Sprechweise, und durch die geniale Ausdruckskraft des Vorlesers auch eine eigene Persönlichkeit.
     
    Gerade bei Schätzing finde ich das natürlich schade, wenn sein Hörbuch so quälend ist. Aber mal davon abgesehen es ist glaube ich eher die Ausnahme als die Regel , dass ein guter Schreiber zugleich alle Qualitäten des guten Sprechers in sich vereint. Sehr empfehlen kann ich aller von Lutz Görner gelesene, wobei das dann weniger Hörbücher in dem Sinne sind, sondern mehr Dichter wie Tucholski oder Heine.
     
  • Ja, das habe ich auch schon beobachtet. Nicht jeder gute Autor ist zugleich auch ein guter Sprecher. Wenngleich es Ausnahmen gibt, so wie etwa Rafik Shami.


    Salman Rushdie "Shalimar der Narr"

    kein Bisschen satanisch, sondern opulent und todtraurig zugleich. Ein Roman über eine verlorene Liebe, Eifersucht, abgrundtiefen Hass und Vergeltung. Über politische Katastrophen, den heutigen Terrorismus und ein verlorenes Paradies.

    Das Paradies heißt Kaschmir, ein von der Natur gesegnetes Land, in dem Menschen aller Rassen friedlich zusammenleben. Doch die paradiesischen Zeiten gehen zu Ende. Ein Bürgerkrieg überzieht das Land mit Terror, es kommt zu ethnischen Säuberungen und Pogromen. In Kashmir, wo Rushdie geboren wurde, beginnt die Geschichte der Liebe zwischen dem Moslem Shalimar und dem Hindu-Mädchen Boonyi. In Los Angeles nimmt sie rund dreißig Jahre später ein blutiges Ende.

    Wunderschön ist die orientalisch-ornamentale Erzählweise, mit in verschachtelten Sätzen eingebauten Arabesken und Abschweifungen, die Schilderungen magischer und märchenhafter Begebenheiten oder kaschmirischer Gebräuche. Die Kriegsschilderungen sind dagegen kalt, durch bösen Sarkasmus verfremdet.

    Gert Heidenreich liest quirlig und lässt die poetischen Bilder Wirklichkeit werden. Man spürt die Magie der Mogulgärten (deren Schönster Shalimar heißt) in dem idyllischen Tal am Fuße des Himalaya.
     
  • John Grisham “Die Schuld”

    Dieser “Thriller” enthält keinen einzigen grausigen Mord. Er nimmt stattdessen das aberwitzige System der amerikanischen Sammelklagen ins Visier, mit denen die Anwälte Kasse machen, während die Interessen der Mandanten grob vernachlässigt werden. Ob der in den USA gängigen abgrundtief unseriösen Zockereien kann man nur mit offenem Mund staunen.

    Der Plot: junger Pflichtverteidiger nimmt nach anfänglichen Bedenken ein lukratives aber nicht ganz moralisches Angebot an und macht damit Millionen, die ihm als Grundstock für einen wahrhaft kometenhaften Aufstieg dienen. Das Geldausgeben - die unabdingbare Voraussetzung für weitere Erfolge - lernt er schnell. Er zockt um immer schwindelerregendere Beträge. Man ahnt, dass das nicht ewig gut gehen wird.

    Charles Brauers ruhiger und bedächtiger Vortrag ist unspektakulär und angenehm. Er ist die solide und zuverlässige Stimme aller Romane von John Grisham.
     
    Marie-Sabine Roger "Das Labyrinth der Wörter"

    Nette, warmherzige Liebesgeschichte der besonderen Art, charmant und voll kluger Einsichten.

    Der unbeholfene Gelegenheitsarbeiter Germain schildert in seinen eigenen schlichten Worten, wie es dazu kam, dass er seine Horizonte erweiterte. Alles beginnt damit, dass er auf der Parkbank Margueritte kennenlernt. Die Bekanntschaft zu der netten alten Dame entwickelt sich allmählich zu einer innigen Freundschaft. Die kultivierte alte Dame macht es sich zur Aufgabe, den ungebildeten Mann für die Welt der Bücher zu interessieren.

    Der Reiz der Geschichte liegt in den liebenswerten Charakteren. Germain ist ungebildet, aber nicht gedankenlos. Er erinnert stark an die Figur des Driss aus “Ziemlich beste Freunde”. Einfach umwerfend ist der Charme der kleinen Frau, deren Füße auf der Parkbank nicht einmal bis zum Boden reichen. Die Ernsthaftigkeit, mit der sie auf den einfältigen Hünen eingeht, der Respekt, mit dem sie ihm begegnet, bezaubern.

    Ausnahmsweise würde ich diesmal das Papierbuch dem Hörbuch vorziehen. Die clowneske Art, in der Stephan Benson die Erzählstimme liest, ist nur schwer zu ertragen. Die Figur des Germain wird dadurch zum Grimassen schneidenden Fossi Bär degradiert. Weniger wäre mehr gewesen.
     
    Val McDermid “Die Erfinder des Todes”

    Die Psychologin Dr. Fiona Cameron arbeitet als Profiler für die Metropolitan Police in England. Sie ist mit der Aufklärung einer Mordserie betraut. Die Opfer sind durchwegs Kriminalschriftsteller und kommen just mit denjenigen Methoden blutrünstig zu Tode, welche sie selbst zuvor in ihren Werken beschrieben hatten.

    Fatalerweise hat Fionas Lebensgefährte, selbst ein erfolgreicher Kriminalschriftsteller, ebenfalls einen dieser charakteristischen Drohbriefe erhalten…

    Der solide britische Krimi ist flüssig geschrieben. Die Story lässt sich anfangs ein wenig zäh und unübersichtlich an, wird aber gegen Ende zu noch richtig spannend. Die schlussendliche Schilderung der Überwältigung des Täters bleibt das Buch allerdings schuldig. Fazit: nicht extrem aufregend, aber doch akzeptable literarische Hausmannskost, für zwischendurch.

    Rundum überzeugend gelesen von Judy Winter.
     
    Francois Lelord “Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück”

    Psychiater Hector unternimmt eine Weltreise, um das Geheimnis des Glücks zu ergründen. In an die zwanzig “Lektionen” trägt er Fakten zusammen, die das Glück ausmachen.

    Der Schreibstil erinnert in seiner Einfachheit an ein Kinderbuch. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der naive Stil von “der kleine Prinz” nachgeahmt werden soll. Auch die kindlichen Zeichnungen auf dem Buchdeckel erinnern an den Klassiker. Wenn dem so ist, dann leidet der Autor - selbst ein Psychiater - an einem gerüttelt Maß an Selbstüberschätzung. Von dem Charme und der Klugheit des kleinen Prinzen ist der dröge Hector Lichtjahre entfernt.

    Man fragt sich, was dieses Buch eigentlich will: unterhalten oder belehren? Für die erstere Intention wäre es zu langweilig, für die letztere zu substanzlos. Eine uninteressante Aneinanderreihung von Binsenweisheiten und Allgemeinplätzen, verpackt in eine langweilige Rahmenhandlung.

    Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Erzählweise des Sprechers, Edgar M. Böhlke. Dieser liest extrem langsam und betont fast jedes einzelne Wort in aufreizender Bedächtigkeit - und gibt damit das Bild eines äußerst kauzigen Sonderlings ab. Dabei macht der Ärmste einfach nur seinen Job. Er lässt sich eben - ganz der Profi - auf das Niveau des Buches herab und interpretiert die Geschichte genau so dümmlich-naiv, wie sie geschrieben ist.
     
    Sabine Weigand “Die silberne Burg”

    Die harmlose Historienschmonzette mit realem geschichtlichem Hintergrund ist recht flüssig geschrieben. Die jüdische Ärztin Sara flieht vor ihrem brutalen Ehemann. Nach gewissen Irrungen kommt sie zuletzt mit dem jungen Ritter Ezzo zusammen. Zum etwas konstruierten glücklichen Ende bringen die beiden Ezzos Burg in ihren Besitz, sein Erbe, welches ihm ein böser Onkel streitig gemacht hatte.

    Die Geschichte der Ärztin ist historisch verbürgt. Faszinierend fand ich die Beschreibung von mittelalterlichen ärztlichen Behandlungsmethoden (mein lieber Scholli!), interessant die Einblicke in die jüdische Kultur.

    Das ideale Hörbuch für nebenbei, wenn man der Handlung mal gerade nicht die volle Aufmerksamkeit widman zu widmen bereit ist.

    Dana Geisslers klangvolle Stimme und ihre verbindliche Art sind angenehm zu hören. Ihre Sprechweise driftet gelegentlich ins Märchenhafte ab. Das macht aber nichts aus, es passt ausgezeichnet in die Mittelalterschinken, auf welche sie abonniert zu sein scheint.
     
    Linus Reichlin “Das Leuchten in der Ferne”

    Packender, atmosphärisch dichter Abenteuerroman.

    Von einer attraktiven Zufallsbekanntschaft lässt sich der arbeitslose Kriegsreporter Martens zu einer ganz besonderen Recherche in Afghanistan überreden. Zusammen mit ihr dort angekommen, entdeckt er schon bald erste Ungereimtheiten im Verhalten der geheimnisvollen Frau. Sein gefährlicher Auftrag bringt ihn in eine - gelinde gesagt - äußerst missliche Situation.

    Die Erlebnisse des Reporters in der Gefangenschaft einer Gruppe von Taliban sind fesselnd beschrieben, die Umstände hervorragend recherchiert. Trotz der erbarmungslosen Situation spürt man den ganz eigenen Reiz, den die Ungewissheit und Entbehrungen auf Martens ausüben. Man versteht, warum er von genau dieser Art Leben geradezu magnetisch angezogen wird und sich in unserer “Normalität” nur schwer zurechtfindet.

    Zauberhaft ist die sinnliche Sprache. So karg und kostbar die Worte, so überwältigend die von ihnen beschworenen Bilder. Reine Zauberei, zumindest aber Poesie.

    Den Schauspieler Thomas Sarbacher kannte ich bisher als die Paradebesetzung für Macho-Rollen in Fernsehfilmen. So war ich auf das Angenehmste überrascht von seinem einfühlsamen Vortrag, der gleichzeitig sparsam genug war, um das zurückhaltende und reflektierende Wesen des Protagonisten mit all seinen Kanten glaubhaft zu vermitteln. Ein wunderbares Buch, ausdrucksvoll gelesen.
     
    Uli T. Swidler “Toskana für Arme” - Liebeserklärung an ein italienisches Dorf

    Leichte, beschwingte Geschichte über das Leben von Italienern und zugezogenen Deutschen in einer kleinen italienischen Region. Die gängigen Klischees werden ironisch und liebevoll bestätigt. Ein kleines Stückchen dolce vita für zu Hause. Sehr hilfreich die Beschreibung und die jeweiligen Übersetzungen der “eindeutigen italienischen Gebärdensprache”. Ein charmantes Buch zum Schmunzeln.

    Andreas Fröhlich verleiht den Charaktere Leben. Bei den vielen eingestreuten italienischen Bröcklein rollte er das “R” wie ein alter Italiener. Als einziges irritierte mich ein klein wenig, dass er einen Allerweltsausdruck wie “Trattoria” auf der falschen Silbe betonte. Jedoch, wer möchte angesichts der Leichtigkeit des Buches derart kleinlich sein.
     
    Per Petterson “Pferde stehlen”

    Melancholischer Erinnerungsroman voll Sehnsucht nach den vollkommenen Momenten der Kindheit.

    Trond zieht sich im Alter von 67 Jahren in eine kleine Hütte in den Norden Norwegens zurück. Während er in der unwirtlichen Natur sein karges Leben meistert, wird er immer wieder an Episoden seiner Kindheit erinnert. Vor allem aber an seinen innig verehrten Vater, den er mit 15 Jahren das letzte Mal sah.

    Wunderbar die ruhige Sprache, die Atmosphäre schafft und zum Träumen verführt. Der Roman wirkt lange nach. Die Geschichte lässt Fragen offen, und das muss so sein.

    Walter Kreye liest melodisch, warm, eindringlich, und auf zurückhaltende Art gefühlig. Er vermittelt das Glücksgefühl, welches einigen der Erinnerungen innewohnt. Der Roman mag an sich schon großartig sein. Als Hörbuch ist er ein unübertrefflicher Hochgenuß.
     
    Carlos Ruiz Zafon: “Das Spiel des Engels”

    Historien-Fantasy-Thriller mit faustischem Motiv.

    Der schriftstellerisch begabte David bringt es durch Protektion zu einigen Erfolgen. Eines Tages macht ihm ein mysteriöser Verleger ein verlockendes Angebot, durch dessen Annahme er - man ahnt es - dem Teufel seine Seele verkauft.

    Die dämonische, surreale Geschichte spielt in einem düster gezeichneten Barcelona der 20-er Jahre. Es geht um die Liebe zum Schreiben, um Geschichten, die erzählt werden möchten. Der Roman verbreitet die Atmosphäre jahrhundertealten Staubs auf uralten Büchern.

    Leider ist der Protagonist so unsympathisch, dass es schier unmöglich ist, Sympathie zu ihm aufzubauen. Die unermesslich grosse unerfüllte Liebe zwischen David und Christina ist ebenso schwer nachzuvollziehen. Weshalb mir der Ausgang der Geschichte auch einigermaßen wurst war.

    Nichts jetzt gegen Gerd Wamelings Stimme - seine Erzählstimme klingt voll und durchaus angenehm. Nur, was er in den Dialogen treibt, schmerzt das Ohr. Um den Figuren unterschiedliche Stimmen zu geben, presst er die seinige in unangenehme Höhen, bis hin zu einer pentetranten Fistelstimme. Frauenstimmen klingen hoch und raunend. Sie wirken künstlich und unsympathisch - womit sie irgendwie ins Gesamtkunstwerk passen.
     
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