Neues aus dem Poa annua Labor 2015
Willkommen mal wieder zur Poa–Annua–„Schmerzsprechstunde“!
Ein freundliches Aloha, Poa annua!
Es gibt wohl selten ein Thread, der sich so hartnäckig auf den oberen Plätzen des Rasenforums festsetzt wie dieser. Am 20. September 2009 ins Leben gerufen, wird er immer noch mit Klageliedern gefüttert. Gerade in den letzten Wochen nahm die Poa-Diskussion, wie sicherlich auch das ungeliebte Gras, rasant zu. Vielleicht mal wieder ein rechter Zeitpunkt, um die bisher gesammelten Erkenntnis inhaltlich zu bündeln.
Los werden wir dieses „Ungras“ wohl nie. Es ist unverwüstlichen und an fast allen Orten dieser Welt – selbst in der Antarktis – verbreitet. Es fliegt schier unbeschwert weltweit durch die Luft, wobei der Rasen in Stadtlage weniger betroffen ist, als eine Flächen auf dem platten Lande.
Und das Poa annua hat sich bestens gegen unsere gezüchteten Rasensorten und diversen Bewältigungsstrategien gewappnet. Es bildet in kurzer Zeit eine Unmenge an Samen aus, es sprießt selbst für einen tiefergelegten Spindelmäher zu flach und es kommt besser durch den Winter als alle anderen Gräser. – Fast könnte man meinen, das „gute alte Gras“ hat eine gewisse „Bauernschläue“ gegenüber den hochgezüchteten Laborgräsern entwickelt.
Leider gibt es nur einen eher übersichtlichen Strategieansatz, um dem Poa annua Herr zu werden. Diese wenigen Ansätze, welche hier im Thread bereits diskutiert wurden, gibt es jetzt mal fix im Schnelldurchlauf.
Was ist vor einer Neuanlage zu berücksichtigen?
Die Aussaat sollte bevorzugt
im frühen Herbst erfolgen. Hier ist ein früher Befall der Flächen weniger zu beobachten, als bei einer Neuanlage im späten Frühjahr oder zeitigem Sommer. Die bestehende Fläche sollte vor dem Umbruch mit einem
Unkrautvernichter (Empfehlung RoundUp, so lange es für Deutschland noch zugelassen ist) zwei Wochen vor dem Arbeitsbeginn bei wüchsigen Wetter – tagsüber nicht unter 20 Grad und in der Nacht nicht unter 15 Grad – behandelt werden. Auch ein beherztes Abflammen der Fläche vor Neuanlage könnte sich ungünstig für die sich noch im Boden befindenden Poa-Samen auswirken, denn der Unkrautvernichter greift nur die Pflanzen, nicht aber die sich noch im Boden befindende Saat an.
Was ist bei einer Neuanlage zu berücksichtigen?
Wesentlicher Ansatzpunkt zur Vermeidung eines massiven Poa annua Befalles ist die
Vermeidung von oberflächiger Feuchte.
Das Poa annua wurzelt – im Gegensatz zum gewünschten Gras – sehr flach. Seine Wurzeln kommen oft nicht tiefer als 5 – 7 cm. Das eingesäte Gras hat später eine eine optimale Wurzeltiefe von 12 – 15 cm.
Das Poa annua weist von allen Gräsern die größte Anfälligkeit gegen mangelnden Nährstoffzuführung (Düngung) und Wasserentzug auf. Es braucht ein feuchtes Milleu und stirbt bei Trockenheit weit vor den anderen gewünschten Gräsern ab.
Es kann also nur von Vorteil sein, wenn die obere Tragschicht des Rasenbodens eher sandhaltig und die darunter liegende eher lehmig ist. Somit bekommt der Zierrasen noch ausreichend Wasser, wenn das Poa bereits schon am Verdursten im Sande ist. Ein
oberes Bodengemisch von 60 - 70 % Sand und 40 - 30% Muttererde fördert diesen Prozess.
Auch sollte man sich nicht bei der
Wahl der Rasensorte von „tiefgrünen Versprechungen“ verleiten lassen. Nur ein Beispiel: "Dunkelgrüner Galarasen“ von der Firma Kiepenkerl sieht wirklich traumhaft aus. Aber spätestens nach zwei Jahren sticht das Poa annua um so heftiger ins Auge. Zur Aussaat sollte vielleicht auch eine sehr trockenresistente Rasensamensorte in Betracht kommen.
Was ist während der Keimphase des neuen Rasen zu beachten?
Rasensamen brauchen für einen schnellen und guten Aufgang eine kontinuierliche Befeuchtung. Das lässt sich nicht vermeiden, freut aber das Poa ungemein.
Bei passenden Klimabedingungen (Nachttemperaturen nicht unter 15 Grad) gehen selbst die feinsten Gräser nach 24 Tagen auf und bilden zarte Wurzeln aus. Es sollte also spätestens nach der 4. Woche eine
Bewässerung in intensiv kurzen Intervallen eingestellt und zur tiefdurchdringenden Bewässerung in langen Intervallen übergegangen werden.
Starterdünger sollte gemeinsam mit der Aussaat vermieden werden. Grassamen können diesen in den ersten 10 Tagen sowieso nicht aufnehmen. Das einzige Gras, was sich hierüber freut, ist das schnellwachsende Poa. Deswegen den Starterdünger erst bei der Sichtung der ersten zarten Grashalme aufbringen... so es eine Begehung der Rasenfläche möglich sein sollte.
Wie hilft mir eine kluge Bewässerungsstrategie bei der Poa-Vermeidung?
Generell sollte der Rasen später extrem kurz bezüglich einer künstlichen Wasserzufuhr gehalten werden. Hier ist – nicht nur wegen der ständig steigen Wasser- und Abwasserpreise –
ein gesunder Geiz ratsam.
Zu welchem Zeitpunkt eine Rasenfläche wirklich bewässert werden sollte, lässt sich pauschal nicht festlegen, hängt dies doch von der örtlichen Bodenbeschaffenheit, der direkten Sonneneinstrahlung, den Windverhältnissen und natürlich auch von der verwendeten Rasensamenmischung ab.
Das beste Anzeichen für eine anstehende und wirklich notwendige Wässerung – und dies gilt für jede Jahreszeit – ist eine besonders in Schattenlage deutlich schimmernde smaragdgrüne partielle Verfärbung des Rasens. Jetzt darf gewässert werden und das nicht zu knapp. Um die 10 -15 Liter pro Quadratmeter sind angeraten, damit das Wasser tief in die Bodenschicht eindringen kann.
Wer noch so richtig Geld ausgeben möchte, kann mit sogenannten
Wetting Agents, die in den professionellen Bereiche (Golf- und Bundesligarasen) Anwendung finden, die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen. Das kostbare Nass dringt dann noch schneller in den Boden ein.
Kann mit dem richtigen Mähen das Poa annua eindämmen?
Grundsätzlich ja. Es sollte
regelmäßig gemäht werden, um eine kontinuierliche Oberflächenfeuchte durch zu lange Halme zu vermeiden. Kurzgehaltenes Gras trocknet schneller ab. Weiterhin fördert das intensive Mähen die Wurzelverästelung der gewünschten Gräser.
Nicht mulchen! Es befördert eher die Poa-Entwicklung. Das Schnittgut sollte aufgefangen werden, denn darin sind nicht nur das geschnittene Grün, sondern auch die Samen der Poa Pflänzchen. Außerdem fördert das liegengebliebene Mulch eine obere Staunässe bei feuchter Witterung.
Nicht zu tief schneiden! Ein golfplatzartiger Schnitt befördert nicht nur den Unkrauteinflug, sondern lässt die helleren Poa-Inseln um so deutlicher sichtbar werden. Selbst gegen einen ultratiefen Schnitt ist das Poa gewappnet. Die Halme liegen so flach, dass selbst die tiefste Rasenmähereinstellung nicht alle Samenstände erreicht.
Der ein oder andere Rasenfreund hier im Forum macht sich sogar die Mühe und kämmt vor der Maht die Halme der Poa-Gräser mit einer Harke hoch, damit es von der „Sense“ wirkungsvoller erwischt wird. – Das ist selbst mir ein bisschen zu aufwendig...
Kann eine kluge Düngergabe das Poa annua beeinflussen?
Auch hier ein grundsätzliches Ja. Poa annua mag natürlich Dünger. Dieser lässt sich leider bei einem angestrebten sattgrünen Rasen nicht verhindern. Doch bei der Wahl des Düngers und mit dem Zeitpunkt seiner Ausbringung kann man einiges beeinflussen.
Ein
kaliumbetonter Herbstdünger, der die Wurzelausbildung nachhaltig fördert, ärgert das Poa annua um ein Vielfaches mehr als ein stickstofflastiger „Schnellgründünger“. Wer dann noch viel Geld übrig hat, kann eventuell eine Zusatzbehandlung mit
AGROSIL von Compo in Betracht ziehen. Das Mittelchen soll bis zu 30% die Wurzeltiefe der bestehenden Grasnabe befördern... meint die Firma.
Auch sollte man den
Zeitpunkt der ersten Frühjahresdüngung klug hinauszögern. Das Wurzelwerk des gewünschten Rasens kann erst ab einer Bodentemperatur (!) von über 10 Grad die Nährstoffe aufnehmen. Wir sprechen hier wohlgemerkt nicht von der Luft- sondern von der Bodentemperatur. Nach einem langen Winter bedarf es schon etliche Nächte mit Temperaturen deutlich über 10 Grad, bis auch in 10 cm Tiefe die entsprechende Wärme angekommen ist.
Das Poa annua dagegen freut sich über einen überstürzten Düngereinsatz. Es ist nicht nur wissenschaftlich untersucht, sondern auch bewiesen worden (Der entsprechende Fachartikel liegt mir aktuell leider nicht vor, schade eigentlich...), dass die Poa-Pflanze viel besser mit Frost und Kälte umgehen kann, als alle anderen Grassorten. Es startet auch schneller ins Frühjahr. Während also der Rasen noch pennt, sprießt bei zu früher Düngergabe das Ungras um so fröhlicher.
Was lässt sich zu Beginn der Rasen-Saison gehen das Poa annua tun?
Eine erste Maßnahme wurde schon soeben angesprochen: Spät düngen!
Vertikutieren sollte man ausdrücklich nur dann, wenn der Rasen deutliche Winterschäden aufweist. Ansonsten ist nach einem tiefen Rasenschnitt ein
beherztes und gründliches Durchharken der Fläche ein bis zwei Wochen nach der erfolgten Düngergabe empfehlenswert. Schon bei dieser Aktion reißt das flachwurzelende Poa annua aus dem Boden. Restliche Bestände können beherzt ausgestochen werden. Auch wenn danach die Fläche etwas zerlöchert ausschaut, vier Wochen später ist alles wieder gut.
Ein regelmäßiges Ausharken mehrmals im Jahr, wirkt der Bildung von Staunässe vor und damit dem Verweilwunsch der Poa-Pflanze entgegen.
Eine zusätzliche
Arifizierung im Frühjahr und die Verfüllung der damit verbundenen Löcher mit Rheinsand 02 gewährleistet, dass das benötigte Wasser schneller an die tieferen Wurzelschichten gelangt und stehende Nässe verhindert wird. Auch das ärgert das Poa annua gewaltig.
Ist denn kein Mittelchen gegen dieses Kraut gewachsen?
Doch, es gibt die Mittelchen, nur nicht in Deutschland. Gibt man
"Poa annua preventer" bei einer herkömmlichen Suchmaschine ein, wird man besonders in den USA fündig. Ich selber stand letztes Jahr in einem US-Baumarkt und konnte die vielen verschiedenen Tüten bestaunen. Doch eine Einfuhr nach Deutschland würde ich mir wohl kaum trauen. (Merke: Sprengstoff kann auch aus Dünger gemacht werden.) – Das ist dann halt mal wieder wie das „alte Ossi-Gefühl“: Man steht in einem Laden (damals Intershop), sieht alles satt in den Regalen gestapelt, doch kaufen kann man nichts. Hier nur mit dem Unterschied, das es nicht an der nötigen Valuta, sondern wieder mal an der bestehenden Grenze krankt... – schöne neue Welt. Und daran was ändert kann selbst das Internet nicht.
Was bleibt?
Mit diesem übersichtlichen Maßnahmenkatalog ist eine gute Wahrscheinlichkeit gegeben, dass sich Poa annua nicht auf eurem Rasen wohlfühlt und vielleicht Good bye sagt.
Eine kleine Einschränkung gibt es hierbei: Diese Maßnahmen funktionieren natürlich dann am besten, wenn wir keinen verregneten Sommer haben.
Last famous words erwünscht?
Ich persönlich bin dabei das Poa annua zu akzeptieren. Ansonsten hat man ja gar keine Freude am Grün. Mein Grundstück befindet sich inmitten der Natur, obwohl ich im Zentrum der Stadt wohne. Ringsum Flüsse und Parkanlagen.
Für mich habe ich entschieden, dass eine Rasenfläche 2 bis maximal 3 Jahre so wie gewünscht aussieht. Spätestens dann schleichen sich sowieso die ersten Fremdgräser langsam wieder ein.
Möchte man darüber hinaus ein tadelloses Grün haben, muss man wohl den Weg der Komplett-Erneuerung gehen. Das macht man im Haus drinnen ständig und nennt es Renovierung - auch teuer und zeitaufwendig.
Vermutlich werde ich es im Herbst diesen Jahres oder vielleicht erst im nächsten Jahr angehen... dann ist der Rasen vielleicht wieder poa-frei für zwei bis drei Jahre – „The Torture Never Stops“, würde hier Frank Zappa vielleicht leise vor sich hersummen...
Hier der Song zum Mitsummen:
http://de.musicplayon.com/play?v=190970
Ein Aloha Poa annua, Folks! - Gruß der Rasenmaster
PS: Sollte der ein oder andere Aspekt von mir nicht berücksichtig oder falsch dargestellt worden sein, dann bitte ich natürlich um rege Diskussion.