Ich wurde halt im August angezogen, als die Lichtbedingungen optimal waren. Deshalb bin ich so schön gedrungen gewachsen...
Das ist ganz einfach - ich mach mal ein Beispiel:
Ich hab jetzt mal entschieden, dass die Blueberry die weibliche Rolle einnimmt. Die Bicolor-Sorte die männliche Rolle. Das kannst du aber entscheiden wie es Dir halt passt.
Der erste Schritt ist die Blueberry♀ nach einem geeigneten Blütenstand abzusuchen. Ich hab mal in meinen Foto Archiv gekrustelt, hier ein Foto:
Die zwei rot markierten Blüten sind im idealen Alter. Sie sollten noch blass mit einem leichten grasigem Farbunterton haben. Die blau markierte Blüte ist schon zu weit, sie ist schon zu gelblich.
Verwende aber keinen Blütenstand, an dem Blüten bereits aufgeblüht sind oder gar Früchte hängen. Auch wenn am Blütenstand geeignete Einzelblüten zu finden wären. Verwende einen Blütenstand der noch ganz jung ist, und die allerersten Blüten in dem genau richtigen Stadium sind, wie die oben rot markierten. Das liegt daran, weil die ersten Blüten eines Blütenstands die vitalsten sind.
Das Foto ist daher nicht unbedingt das beste Beispiel. Aber ich bin auf dem Sprung in den Urlaub, und habe keine Lust die Festplatte auf und abzuklappern nach nem idealen Foto.
Hast du einen geeigneten Blütenstand gefunden brauchst du Fingernädel oder eine Pinzette. Und eine ruhige Hand. Tomatenblüten sind bekanntlich zwittrig. Und da du Dich in diesem Beispiel entschieden hast, dass Blueberry die weibliche Rolle annimmt musst den Blüten ihre Männlichkeit nehmen, damit sie sich nicht mit dem eigenen Pollen selbstbestäuben können.
Der operative Eingriff an der Blüte beginnt so: Als allererstes musst du die Blütenblätter aufklappen. Was sind Blütenblätter? Das hier (das rot markierte) sind die Blütenblätter:
Anderes Beispiel - ein Verwandte der Tomate: Solanum nigrum:
Bei dieser Art ist es der weiße Teil einer Blüte. Die Blütenblätter dürfen nicht abgerissen werden. Okay, wenn eins mal versehentlich abgerissen ist, dann ist das nicht schlimm. Aber du brauchst die Blütenblätter als Indikator, um zu wissen, wann der richtige Moment zum Kreuzen ist.
Hast du die Blütenblätter aufgeklappt kommen die Staubbeutel zum Vorschein. Das ist das röhrenartige Gebilde inmitten der Blüte. Man bezeichnet die Staubbeutel auch als Ganzes als Staubbeutelröhre. Schaust du noch einmal das Foto von Solanum nigrum an, dann ist es der gelbe Teil einer Blüte. Oder hier ein weites Foto:
Der rot markierte Teil sind die Staubbeutel. Das ist der männliche Teil der Blüte, sie bilden den Pollen aus. Diese Staubbeutel entfernst du vorsichtig aus der Blüte.
Wenn du fertig bist und hast alle Staubbeutel entfernt, hast du die Blüte ihre Männlichkeit genommen. Sie kann sich fortan nicht mehr mit dem eigenen Pollen selbstbestäuben.
Das wiederholst du nun mit allen Blüten, welche du für geeignet empfunden hast. Anschließend knipst du das Ende des Blütenstandes ab, sodass der Blütenstand nur noch aus den von Dir behandelten Blüten besteht und sich keine weitere Blüten mehr daran befinden oder ausbilden können.
Abschließen tust du Deine Arbeit damit, in dem du ein Verhüterli aufsetzt, damit Dir Bestäuberinsekten nicht zuvor kommen.
Einmal täglich machst du Dein Verhüterli ab und kontrollierst, ob Deine Blüten schon Lust auf Sex haben. Nach der Kontrolle nicht vergessen, dass Verhüterli wieder draufzupacken. Ob der richtige Zeitpunkt gekommen ist erkennst du daran, wenn die Blütenblätter goldgelb (in der typischen Farbe einer Tomatenblüte) sind und sich entfaltet haben. Stell Dir einfach eine blühende Tomatenblüte ohne Staubbeutelröhre vor. Dann ist der richtige Zeitpunkt.
Ist der richtige Zeitpunkt gekommen wird es tomatenromantisch. Nun kommt zum ersten Mal das Männlein (die Bicolor) ins Spiel. Du suchst Dir einfach eine schöne, x-beliebige Blüte Deines Männleins raus. Nimmst ein schwarzes Papier her oder besser noch ein Brillenglas von einer Sonnenbrille. Schwarz deshalb, damit man den Pollen gut erkennt. Nun extrahierst du den Pollen aus der Blüte in dem du die Blüte etwas anklopfst, beispielsweise mit einem Bleistift. Der Pollen müsste sich nun von den Staubbeuteln lösen und auf das Schwarze Brillenglas fallen. Wenn nicht, nimm 'ne andere Blüte. So sieht der Pollen dann aus von einer Tomate:

Hast du genug Pollen gesammelt gehst du damit zu Deiner Dame. Machst das Verhüterli ab. Und beglückst Sie, in dem du ihre Narbe in den Pollen tunkst. Das machst du mit allen Blüten so. Das ist nun die eigentliche Kreuzung. Anschließend machst du das Verhüterli wieder drauf.
Idealerweise sammelt man Pollen zur Mittagszeit und nimmt auch während der Mittagszeit die Kreuzung vor. Da soll es scheints am Besten klappen.
Das ganze wiederholst du einmal täglich. Also frischen Pollen sammeln beim Herren. Und bei der Dame den Pollen auf die Narben drücken. Das machst du solange, bis der Fruchtansatz zum Wachsen beginnt. Dann ist auch das Verhüterli nicht mehr notwendig.
Zum besseren Verständnis der Begrifflichkeiten habe ich ein weiteres Foto:
So sieht eine Tomatenblüte aus, nachdem Staubbeutel
und Blütenblätter entfernt wurden. Die Blütenblätter werden wie eingangs erwähnt nicht entfernt, nur in diesem Foto fehlen sie halt. Musst sie Dir denken.
Aber man sieht auf dem Foto gut: An der Basis befindet sich der Fruchtansatz. Dieser befindet sich bereits vor einer erfolgten Bestäubung und bevor die Blüte geschlechtsreif ist. Ist eine Bestäubung erfolgt wächst der Fruchtansatz zu einer Frucht heran. Schon vor der Bestäubung ist schon festgelegt, wie die einmalig reife Frucht aussehen wird. Man sieht auf dem Foto deutlich, dass dies mal eine gerippte Fleischtomate wird.
Am Ende des Fruchtansatzes befindet sich der schmale, längliche Griffel. An dessen Spitze befindet sich die Narbe, welches den Pollen aufnimmt. Fruchtansatz, Griffel und Narbe sind der weibliche Teil einer Blüte.
Zum Schluss habe ich ein ausgezeichnetes Foto, welches die Teile einer Tomatenblüte noch einmal super erklärt:
petal = Blütenblätter
anther = Staubbeutel
ovary = Fruchtansatz
style = Griffel
stigma = Narbe
Das Ergebnis Deiner Kreuzung reift allerdings ausschließlich in den Samen heran. Die Frucht wird ganz normal wie man es von der Mutterpflanze erwartet aussehen, weil wie ja bereits erwähnt der Fruchtknoten bereits vorbestimmt ist, bereits vor einer Bestäubung. Du wirst also in diesem Beispiel ganz normale Blueberry-Früchte ernten - innendrin aber das Ergebnis Deiner Kreuzung in Form der Samen.
Noch zwei Fotos - einfach so.
Normalerweise befindet sich die Narbe und der Griffel zwischen den Staubbeuteln versteckt. Manche Sorten haben aber einen solangen Griffel, dass der Griffel inkl. die Narbe zwischen den Staubbeuteln herausguckst. Das ist häufig bei Fleischtomaten und Wildtomaten so. Aber auch bei der Blueberry habe ich das beobachtet, wie das folgende Foto zeigt:

Solche Sorten verkreuzen sich leicht, weil die Narbe freiliegt. Und Bestäuberinsekten, welche fremden Pollen anderer Sorten an sich kleben haben, diese Blüten anfliegen. Und so den an sich klebenden Pollen auf die Narbe übertragen.
Ein ganz extremes Beispiel, wie lang der Griffel einer Tomatenblüte sein kann habe ich bei dieser Wildtomate gefunden:

Wenn du genau hinschaust siehst du den kleinen Bobbel an der Spitze, das ist die Narbe!
So genug geschrieben! Ich muss packen! Nun weist du ja wie man kreuzt, hoffe ich!
Grüßle, Michi
