in unserem Stadtforum gefunden:
Die Coaching-Hotline
Liebe Leser,
kennen Sie das auch? Sie erhalten unzulässige Werbeanrufe, fühlen sich bedrängt und wissen nicht, wie Sie aus der Nummer wieder raus kommen ohne genervt zu sein oder ausfällig zu werden?
Als mein Telefon mal wieder klingelte, schaute ich zuerst auf das Display. Die Nummer kannte ich nicht. Zwei Nullen vorne weg signalisierten einen Anruf aus dem Ausland. Ich dachte: „Bestimmt wieder so ein Werbeanruf…“. Da erinnerte ich mich daran, was der geschätzte Kollege Rosenheimer mal in einer solchen Situation gemacht hatte. „Ja, das versuche ich jetzt auch mal…“
Ich nahm den Hörer ab und meldete mich mit Namen. Am anderen Ende hörte ich Geräusche, sonst aber nichts. Ich wiederholte meinen Namen. Wieder nur raschelnde Geräusche.
Ich rief fragend: „Hallo?“
Eine Frau meldete sich und hörte sich an, als habe ich sie gerade bei etwas Wichtigem gestört: „Kann ich Ihre Frau sprechen?“ Sie sprach mit einem osteuropäischen Akzent.
Ich sagte: „Nein! Aber wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“
Die Frau am Telefon sagte noch einmal: „Ich möchte Ihre Frau sprechen.“
Ich antwortete: „Ich freue mich, dass Sie bei unserer Coaching-Hotline angerufen haben. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Die Frau sagte: „Das ist schön, dass Sie sich freuen, ich heiße Mebowski und ich rufe vom O**o-Versand an.“
Ich erwiderte: „Dann geben Sie mir doch bitte zunächst mal Ihre Kundennummer.“
Es kehrte ein Moment der Ruhe ein. Die Frau am anderen Ende überlegte wohl und sagte schließlich: „Nein, nein, ich rufe vom O**o-Versand an und …“
Ich unterbrach sie: „Ja, aber Sie müssen mir doch zuerst Ihre Kundennummer nennen.“
Sie war verdutzt: „Aber ich habe keine Kundennummer… Kann ich jetzt Ihre Frau sprechen?“
Ich ließ mich nicht beirren: „Doch, Sie haben bestimmt eine Kundennummer, denken Sie doch einmal nach, Sie müssen eine Kundennummer haben. Wenn Sie diese Telefonnummer kennen, dann wissen Sie, dass Sie hier bei unserer kostenpflichtigen Coaching-Hotline anrufen. Jeder Anruf kostet von der ersten Minute an, das wissen Sie doch. Das ist vertraglich so festgelegt.“ Wieder war Ruhe am anderen Ende der Leitung.
Dann sagte die Frau: „Das verstehe ich nicht, wofür soll ich denn die Kundennummer benötigen? Und was für ein Coaching überhaupt?“
Ich erwiderte freundlich: „Gute Frau, Sie haben mich doch gerade angerufen, oder nicht?“ Sie zögerte: „Jahaa…“
Ich führte weiter aus: „Sehen Sie, und das ist nun mal so, wenn Sie eine kostenpflichtige Telefonnummer anrufen, dann kostet das von der ersten Minute an und ich brauche Ihre Kundennummer, um Ihnen die Rechnung schreiben zu können.“
Die Frau begann zu stottern: „ Aber…, aber…, Sie können doch nicht…, nein, das können Sie nicht…, mir eine Rechnung stellen…, einfach so…, …wofür denn eigentlich?“
Ich sagte: „Nun, das sagte ich ja bereits, Sie nehmen gerade Coaching Leistungen in Anspruch, die kostenpflichtig sind.“
Die Frau klang verzweifelt: „Aber ich sagte doch schon, ich habe gar keine Kundennummer…, …es tut mir leid…, …da muss ich mich wohl verwählt haben…“ Sie legte auf und das Gespräch war beendet. Ich hoffe, dass sie unsere Telefonnummer aus ihrer Liste gestrichen hat und nie wieder anruft.
Einige Wochen später klingelte das Telefon erneut. Wieder sah ich eine Nummer mit zwei Nullen am Anfang im Display. Vermutlich wieder solch ein Werbeanruf und wieder ein Fall für die Coaching-Hotline…
Ich nahm das Gespräch an: „Guten Tag und herzlich willkommen, was kann ich für Sie tun.“
Die Dame am anderen Ende der Leitung antwortete: „Guten Tag. Spreche ich mit Herrn oder Frau Frankenfurter?“ Die Frau hatte eine angenehme Stimme und sprach ausgezeichnetes Deutsch.
Ich erwiderte: „Guten Tag. Sie haben auf unserer Coaching-Hotline angerufen. Und als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war ich noch Herr Frankenfurter.“
Sie sagte: „Das ist ja wunderbar, Herr Frankenfurter, dass ich Sie persönlich dran habe. Ich möchte mich gerne mit Ihnen über einen sehr wichtigen Versicherungsvergleich unterhalten. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“
Ich bat sie: „Dann geben Sie mir doch bitte zunächst einmal Ihre Kundennummer.“
Am anderen Ende der Leitung war es für einen Moment still. Das hatte ich erwartet, das kannte ich ja schon, dass an dieser Stelle des Gesprächs der Gesprächspartner erst einmal ins Nachdenken kommt und ich fügte hinzu: „Sie wissen doch, dass Sie unter dieser Nummer unsere kostenpflichtige Coaching-Hotline anrufen.“
Sie zögerte ein wenig: „Also, ist das jetzt keine private Telefonnummer, unter der ich Sie erreicht habe?“
Ich antwortete: „Wie schon gesagt, Sie haben unsere kostenpflichtige Coaching-Hotline angerufen. Geben Sie mir bitte Ihre Kundennummer.“
Sie sagte: „Aber ich habe doch gar keine Kundennummer und ich brauche auch gar keine Kundennummer.“
Ich erklärte ihr: „Doch, selbstverständlich brauchen Sie eine Kundennummer. Wie sollte ich Ihnen sonst Ihre Rechnung zukommen lassen können? Und wenn Sie diese Telefonnummer haben, dann wissen Sie auch, dass jeder Anruf kostenpflichtig ist. Denn wir geben diese Nummer nur an Menschen weiter, die dann weitere Leistungen in Anspruch nehmen möchten und dafür auch zahlen.“
Sie startete einen neuen Versuch: „Ich möchte keine Leistung in Anspruch nehmen. Ich möchte mich mit Ihnen über einen Versicherungsvergleich unterhalten. Das wird sich für Sie sicherlich lohnen.“
Ich nickte wohlwollend: „Ja, ja, das glaube ich Ihnen gerne. Sie möchten also Ihren kostenpflichtigen Anruf, der im Übrigen jetzt startet, dafür nutzen, um zu besprechen, dass Sie immer in Situationen geraten, in denen die Menschen über etwas anderes sprechen wollen als Sie es wollen?“
Sie wurde hektischer: „Nein, nein, Sie hören mir nicht richtig zu…“
Ich unterbrach Sie: „Ach so, ich verstehe, Sie möchten sich also darüber unterhalten, dass Ihnen die Menschen nicht richtig zuhören?“
Sie gab auf und murmelte: „Ich glaube, bei Ihnen bin ich völlig falsch.“ Und sie legte auf.
Und ich hoffe, dass auch diese Anruferin unsere Telefonnummer aus ihrer Liste streicht.
Welche Hotline würde Ihnen helfen, lästige Werbeanrufer in die Defensive zu bringen? Eine Hotline für Autoreparaturen? Eine Hotline für Backrezepte? Eine Hotline für Kindererziehung?
Es grüßt Sie
Ihr Harry Frankenfurter