Rasenkrebs ist heilbar
Bisher habe ich über die Thematik Poa annua nur in verschiedenen Blogs etwas gelesen. Es war bisher nicht wirklich ein Problem - mein frischangelegter Rasen erstrahlte im ersten Jahr in einem satten und kontinuierlichen Grün. Dann kam das Frühjahr 2014 und die Idee, in meinen Rasen neue und hochwertige Gräser einzusäen. Es wurde vorab eine computergesteuerte Sprinkleranlage installiert, um der Saat eine kontinuierliche Befeuchtung zu gewährleisten. Der Rasen wurde intensiv ausgeharkt (nicht vertikutiert), sehr kurz nachgeschnitten, TopDressing sowie hochwertiger Grassamen aufgebracht. Die Halme wurden zwei Wochen lang nicht gemäht, um die Keimlinge beim Betreten nicht zu beschädigen. Bis dahin alles gut, aber ab der zweiten Woche entdeckte ich vermehrt die Ausbildung von Rispengras. (Optisch nimmt es momentan ca. 1 – 3 Prozent der Rasenfläche ein.) Plötzlich stand das ferne Thema auf der Tagesordnung und damit verbunden eine intensive Recherche, mit dem Ergebnis, dass ich mir dann wohl so eine üble Art „Rasenkrebs“ eingefangen habe, gegen den kein Mittel hilft und mein so geliebter Rasen, der so einiges an Geld und Arbeit verschlungen hat, in wohl ein paar Monaten wie eine wüste Kuhwiese ausschauen könnte. Nach dem ersten Entsetzen wich langsam mit der weiteren intensiven Beschäftigung der Schreck. – Ja, es ist eine Art „Rasenkrebs“ aber er ist gutartig.
Hier das Ergebnis meiner Recherchen, wobei angemerkt werden muss, das zum jetzigen Zeitpunkt (Anfang Mai 2014) das gewünschte Ergebnis noch in der Zukunft liegt. – Ich werde berichten...
Als Rasenliebhaber haben wir ja gern die Neigung, bei Problemen mit dem Grün Chemie draufzupacken. Schließlich haben wir alle unsere guten Erfahrungen mit diversen Unkrautvernichtern und natürlich Dünger gemacht. So schien mir die chemische Keule als die schnellste und praktikabelste Lösung. Der Wirkstoff heißt Fenpropimorph, wird als Fungizid bei Mehltau sowie Rostkrankheiten an Getreidesorten angewendet und ist in dem Bayer-Produkt CORBEL enthalten. Es wurde eine herbizide Wirkung gegen Poa annua festgestellt. Dieses Produkt ist nicht frei verkäuflich und darf nur bei Getreide angewendet werden. Man muss es sich über Mittelsmänner, Bekannte oder sogar guten Freunden besorgen, denen dann bei diesem Missbrauch eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro droht. Das fällt somit aus. Soweit sollte dann die Liebe zum Grün wiederum auch nicht gehen, denn das ist schon fast so was wie „organisierte Rasenkriminalität“. Um eine Wirkung zu erzielen, muss man außerdem die 15fache Menge dieses Mittelchens versprühen und recht teuer ist es noch dazu. Liest man sich dann den ausführlichen Text zum Patent durch (zu finden unter
http://www.patent-de.com/20030109/EP1001679.html ), dann erhält folgende wertvolle Information: „Fenpropimorph zeigt die aufgefundene herbizide Wirkung gegenüber Poa annua jedoch nicht während der Blütezeit der Poa-annua-Pflanzen, also während der Zeit, in der die Blütenstände gebildet werden.”
Warum also mit Natur, Gesetz und Geldbeutel in Konflikt geraten, wenn etwas bekämpft werden soll, was man während seiner besonders sichtbaren Phase nicht aufspüren kann und was eigentlich sowieso auf natürlichem Wege verschwindet. - Wie könnte das gehen?
Hierfür muss man sich etwas intensiver mit Poa annua beschäftigen.
Es handelt sich um ein einjähriges Rispengras, das in der Natur nach der Blüte, die von Ende April bis ca. Juni geht, abstirbt. Es ist unverwüstlichen und an fast allen Orten dieser Welt – selbst in der Antarktis – verbreitet. Es wurzelt sehr flach, weist von allen Gräsern die größte Anfälligkeit gegen mangelnden Nährstoffzuführung (Düngung) und Wasserentzug auf. Hier auf dem nachfolgenden Link
http://www.wlsb.de/cms/docs/doc13709.pdf
findet man kurz und prägnant alle relevanten Infos, gut in Tabellenform aufbereitet und mit überzeugenden Fotos dokumentiert. Mit diesem Wissen sollte das Problem behebbar sein.
Was also ist die Strategie?
Erstens: Ruhe bewahren! Poa annua ist überall, unverwüstlich und nicht zu verhindern, es sein denn, euer Rasen befindet sich unter einer überdimensionalen Käseglocke. Aber das Gute ist, es verschwindet nach der Blüte von selbst. Diese zwei bis drei Monate muss man aushalten können und spätestens Mitte Juni ist alles wieder chick. Damit der Spuk im Sommer auch vorbei ist, gilt es folgende Dinge zu berücksichtigen.
Poa annua braucht ein feuchtes Milleu, da sie nicht tief wurzeln kann. Bei Trockenheit stirbt es weit vor den anderen, gewünschten Gräsern ab.
Poa annua mag Dünger. Dieser lässt sich leider bei einem angestrebten sattgrünen Rasen nicht verhindern.
Poa annua stirbt auf natürlichem Wege nach der Blüte ab. Das hässliche Grün verschwindet, nur die Samen bleiben zurück. Es harrt als Pflanze weiter im Rasen aus, wenn die Bedingungen darüber hinaus optimal sind (feucht und satt).
Hier die wichtigsten Maßnahmen:
1. Nicht vertikutieren. Ein gründliches Ausharken im Frühjahr reicht voll aus. Schon hierbei kommen einem teilweise büschelweise die Poa annua Pflänzchen entgegen und man verhindert die gern beschrieben Einflugschneisen für weitere Unkrautsamen.
2. Wenn eine Nachsaat erforderlich sein sollte, diese auf den Zeitraum der Blüte von Poa annua in das zeitigen Frühjahr verschieben (in dieser Phase kann man Poa annua sowieso nicht verhindern...). Damit die Saat keimen kann, wird eine kontinuierliche Feuchte benötigen, sät man zu einem späteren Zeitpunkt nach, muss der Rasen über einen Zeitraum von fast drei bis vier Wochen (je nach Rasenmischung) feucht gehalten werden, was das Überdauern der Poa annua bis weit in das Jahr hinein fördert.
3. Hat die Nachsaat ausreichend Wurzelwerk gebildet, muss man konsequent seine Bewässerungsstrategie ändern. Poa annua hat oftmals nur ein Drittel der Wurzeltiefe unserer gewünschten Gräsern. Also sollte nicht so häufig, dafür aber durchdringend gewässert werden. Alle drei Tage in den frühen Morgenstunden (hier macht sich die computergesteuerte Beregnungsanlage bezahlt) bis zu 15 Liter pro Quadratmeter.
4. Gutes Düngermanagement, damit die gewünschten Gräser kraftvoll genug sind. Hierbei auf Düngermischungen achten, welche die Ausbildung des Wurzelwerkes fördern. Eventuell eine Zusatzbehandlung mit AGROSIL von Compo, um die Wurzelbildung zu verstärken.
5. Regelmäßiges Mähen verhindert, dass sich in der oberen Bodenschicht Nässe staut, was sonst der kurzwurzligen Poa annua zugute kommt. Weiterhin fördert das intensive Mähen die Wurzelverästelung der gewünschten Gräser.
6. Ebenso wirkt regelmäßiges Ausharken, der Bildung von Staunässe und damit dem Verweilwunsch der Poa annua entgegen.
7. Eine Arifizierung im Frühjahr gewährleistet, dass das benötigte Wasser schneller an die tieferen Wurzelschichten gelangt und stehende Nässe verhindert wird.
Mit diesem Maßnahmenkatalog ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich Poa annua nicht auf eurem Rasen wohlfühlt und Good bye sagt. Kleine Einschränkung: Diese Maßnahmen funktionieren dann natürlich am besten, wenn wir keinen verregneten Sommer haben.
Warum bin ich mir im Vorfeld sicher? Neben meiner Hauptrasenfläche, die ständig gehegt, gepflegt und gewässert wird, befinden sich noch zwei andere Rasenflächen, die weit weniger Aufmerksamkeit erhalten. Auf beiden Flächen befindet sich kein einziges Poa annua Pflänzchen....