Neuerdings gibt es die Tomate auch in Blau. Okay, zugegeben, wer jetzt bei
Blaue Tomate an sowas denkt:
... den muss ich enttäuschen. So sehen sie nicht aus, diese neumodischen blauen Tomaten. Dennoch ist die Bezeichnung blaue Tomate nicht ganz unrichtig. Denn die Früchte sind in Wirklichkeit violett-blauschwarz gefärbt:
Doch warum sind die Früchte jetzt eigentlich violett-blauschwarz gefärbt? Verantwortlich sind die Anthocyane-Pflanzenfarbstoffe. Sie verleihen unter anderem Heidelbeeren, Brombeeren, schwarze Johannisbeeren, Holunderbeeren aber auch Kirschen, rote Trauben und Rotkohl ihre charakteristische Farbe.
Aber auch unter den Nachtschattengewächsen sorgen Anthocyane z.B. bei schwarzen und violetten Paprika/Chili-Sorten für ihre sortentypische Fruchtfarbe oder auch die Aubergine hat ihre klasssische Fruchtfarbe durch diese Pflanzenfarbstoffe. Ein weiterer Kandidat ist der Schwarze Nachtschatten (Solanum nigrum) mit seinen hübschen (aber giftigen!) Beeren, der gelegentlich wild wächst.
Violette Chilisorte. Die Früchte sind zunächst dank Anthocyane lila und reifen dann aber letztlich orange ab. Auch die Blätter haben eine dunkle Verfärbung durch Anthocyane.
Der Schwarze Nachtschatten (S. nigrum) mit seinen schwarzen, giftigen Beeren auf meiner winterlichen Fensterbank.
Die Beeren des Schwarzen Nachtschattens im Detail.
Aber selbst für die Tomate sind Anthocyane nichts neues: Setzt man eine Tomatenpflanze der Kälte oder Phosphor-Mangel aus, dann regt das die Bildung von Anthocyane an. Die Folge: Die Blätter verfärben sich lila (oder braun-lila). Auch werden die Blätter glasig:
Anthocyane kommen in nahezu jeder Pflanzenart vor. Und je nach Art bzw. Sorte zeigen sich die Anthocyane in höherer Konzentration in Form von violetten, blau-schwarzen oder rot-blauen Blüten, Blätter oder Früchten.
Okay, und wie kommen jetzt diese Anthocyane in die Tomate, also in die Frucht? Gelegentlich liest man diese blauen Tomaten seien durch Gentechnik entstanden. Was aber totaler quatsch ist! Dieser Typ Tomate ist durch klassische Einkreuzung verschiedener Wildformen der Tomate (Wildtomate) entstanden. Auf die Genetik gehe ich nicht näher ein (will ja schließlich keinen zum wegklicken ermutigen), aber kombininiert man die 3 Gene Aft (Anthocyanin fruit, dominant, aus Solanum chilense), atv (atroviolacium, rezessiv, aus Solanum cheesmanii) und Abg (Aubergine, dominant, aus Solanum lycopersicoides) miteinander treten derartige Früchte in Erscheinung. Möglicherweise spielt auch hp-x (high pigment, rezessiv) eine Rolle, welches die Fähigkeit hat die Konzentration von Anthocyane (aber auch Lycopin!) zu erhöhen.
Okay, genug in die Genetik abgeschweift. Muss ich etwas beachten, wenn ich die blaue Tomate in meinem Hobbygarten anbauen möchte? Ja, es gilt ein paar Dinge zu wissen:
Bereits Keimlinge können dunkle Verfärbungen in ihren Keimblättern zeigen. Das ist völlig normal bzw. sortentypisch. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass Keimlinge mit den dukelsten Keimblättern später die dunkelsten Früchte hervorbringen. Es macht daher wenig Sinn nur die dunkelsten Keimlinge zu behalten und sich von den restlichen zu trennen!
Früchte sind bereits unreif violett-blauschwarz verfärbt. Oft bereits als kleine Kügelchen (Baby-Frucht). Die tatsächliche Fruchtreife erkennt man daher lediglich durch Druckprobe: Ist die Frucht hart ist sie unreif, ist sie weich ist sie reif.
Die Konzentration an Anthocyane in der Frucht ist abhängig ist vom Licht. Eine der Aufgaben der Anthocyane ist es die Zellen vor zu hohem Licht- und UV-Strahlen zu schützen. Um die Produktion der Anthocyane in den Früchten anzuregen, sollten die Früchte daher volles Rohr Sonne abbekommen. Blätter oder sonstiges, was Schatten auf die Früchte wirft sollte unbedingt entfernt bzw. eingekürzt werden.
Von den blauen Tomaten sollte man in Sachen Ertrag, Geschmack und Robustheit bei den derzeiten Sorten noch nicht zuviel erwarten. Es ist Tatsache, dass die Züchtung erst am Anfang steht. Teilweise sind die Züchtungen noch nicht einmal 100%ig stabil (also fertig gezüchtet) und weitere Kreuzungen (z.B. mit leckeren, ertragreichen, robusten Sorten) und Selektionen wären erforderlich. Es wäre daher falsch seinen kompletten Garten mit blauen Tomaten zuzupflanzen. Man sollte daher eine gute Balance finden. Andererseits empfiehlt sich aber immer mehrere Pflanzen zu halten, da die Verfärbung der Früchte von Pflanze-zu-Pflanze unterschiedlich stark ausfallen kann. Insbesondere wenn man plant Samen zu gewinnen wäre es wichtig mehrere zu halten, um ausschließlich von der Pflanze mit den besten Eigenschaften (Geschmack, Ertrag, Robustheit, beste Verfärbung, ...) Samen nehmen zu können.
Fazit: Derzeit sind diese neumodischen blauen Tomaten eher was für den experimentierfreudigen Tomatenfreund. Wer eine geschmackvolle, leckere, ertragreiche, robuste Sorte sucht sollte lieber auf eine bewährte Sorte setzen. Das gilt auch für den Tomatenmaniac, der sich auf die
blaue Tomate einlässt. Ein guter Mix zwischen neumodischen, blauen Tomaten und altbewährten Sorten ist zu empfehlen.
Die Züchtung steht derzeit noch am Anfang. In den nächsten Jahren wird sich da noch viel tun. Nicht nur in der Hybridzucht. Aber es ist nur eine Frage der Zeit bis die große Saatgutindustrie ihre Hybridzüchtungen auf den Markt bringen und die
blaue Tomate den Weg in den Supermarkt finden wird. Schon allein wegen der Innovation aber auch weil den Anthocyane eine positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit nachgesagt wird (siehe
Wikipedia).
Grüßle, Michi
