Eigentlich ist es schon die effektivste Methode die Blüten durch Schütteln zu bestäuben. Das kommt der Natur am nähesten:
- Jede Einzelblüte ist zwittrig.
- Zwittrig bedeutet, dass die Blüte sowohl ein männliches, als auch ein weibliches Geschlechtsorgan besitzt.
- Das bedeutet auch, dass aus jeder Blüte eine Frucht wird (nach erfolgter Bestäubung).
- Ferner sind die Pflanzen selbstverträglich, d.h. sie können sich mit dem Pollen der eigenen Blüte & Pflanzen selbstbestäuben.
- Durch Vibration löst sich der Pollen von den Staubbeuteln (männliche Geschlechtsorgan) und fällt auf die Narbe (weibliches Geschlechtsorgan)
- Begünstigt wird das dadurch, dass der Pollen nur schwach an den Staubbeuteln klebt.
- Bedingt durch die Schwerkraft und den röhrenartigen Aufbau und Anordnung der Staubbeutel fällt der Pollen zielgerichtet nach unten auf die Narbe.
- Diese Form der Bestäubung (Bestäubungsmethode) nennt sich Vibrationsbestäubung.
- In der Natur wird die Bestäubung durch den Wind oder Bestäuberinsekten ausgelöst, welche die Blüten zum Vibrieren bringen.
- Innerhalb der Blüte beginnen beide Geschlechtsteile niemals gleichzeitig mit der Geschlechtsreife. Der weibliche Narbe ist immer zuerst geschlechtsreif, während die männlichen Staubbeuteln eher erst zum Schluss der Blütenphase geschlechtsreif werden. Damit räumt die Tomate sich das Recht ein mit einem potenziellen Liebchen (andere Pflanze) kreuzen zu können. Sie priorisiert die Fremdbestäubung. Das ist gut für die genetische Variabilität und reduziert Inzuchtdepression. Bleibt dann eine Fremdbestäubung mithilfe von Bestäuberinsekten und einer anderen Pflanze aus, tritt Plan B ein: Die Blüte setzt ihre eigenen Staubbeutel mithilfe der Vibrationsbestäubung ein und bestäubt sich selbst. Ganz schön clever. Diese "Technik" nennt sich Protogynie.
- Durch einmaliges Schütteln kann daher nicht garantiert werden, dass eine Bestäubung erfolgt. Bewährt hat es sich in der Praxis gelegentlich bzw. mehrmals täglich die Blüten zu schütteln. In den Morgenstunden soll es scheints am Besten funktionieren. Solange bis die Blüten verwelkt sind.
- Durch die Inkulturnahme der Tomate hat sich der Blütenaufbau der Tomate verändert. Die Narbe sitzt nun bei vielen bis die meisten Sorten verborgen zwischen die Staubbeuteln. Dadurch hat sich die Kulturtomate für viele Sorten die Möglichkeit genommen einer Fremdbestäubung. Dennoch gelingt es aus mysteriösen Gründen für 1% der Fälle. Für Tomatensorten bzw. Wildtomaten aus klassischem, nicht verborgenener Narbe liegt die Verkreuzungsrate sehr hoch. Je nachdem wieviele Bestäuberinsekten im jeweiligen Garten anzutreffen sind.
- Den Pinsel zu schwingen löst daher vermutlich für die meisten Sorten eine Vibrationsbestäubung aus. Da bei den meisten die Narbe verborgen liegt und daher kein Pollen aufgenommen werden kann.
So, zum Schluss wird der Post noch mit ein paar Fotos gewürzt:
Die Wildform der Tomate (Wildtomate): Die Narbe sitzt auf einem langen Griffel:
Erwähnenswert auch die Größe der Blüte & des Blatts im Vergleich zu meinen Fingern! Nächstes Foto: Das rot markierte sind die Staubbeutel bei der Tomate:
Und das hier ist eine Blüte ohne Staubbeutel und Blütenblätter (alles Gelbe):
Das ist wohlgemerkt eine Blüte! Und zwar, als ich die außeinander genommen habe, war diese noch geschlossen. Sprich: Im inneren der Blüte befindet sich verborgen bereits der Fruchtansatz. Der sitzt da schon vor dem Aufblühen und somit auch vor der Bestäubung. Das Aussehen der späteren Frucht ist schon vor der Bestäubung vordefiniert. Das hier hätte mal 'ne gerippte Fleischtomate gegeben. Etwaige Verkreuzungen sieht man daher nicht der Frucht an, da passiert nur
etwas im Innereren der Frucht. Im Gegensatz von z.B. Mais, da erkennt man Verkreuzungen noch an der Mutterpflanze, da man ja dort auch die Samen erntet, mit denen dann ja was passiert ist.
Das obrige Foto noch einmal, nur ohne rote Markierung:
Links schaut die Narbe zwischen den Staubbeuteln hervor, auf der rechten Blüte ist sie verborgen zwischen den Staubbeuteln.
Die Sorte 'Blueberry' mit Narben, die zwischen den Staubbeuteln rausgucken:
Und hier zum Schluss eine ganz tolle Grafik:
petal = Blütenblätter
anther = Staubbeutel
ovary = Fruchtansatz
style = Griffel
stigma = Narbe
Ach, ein Foto hab ich noch:
Eine jungfernfrüchtige Tomatensorte. Sie ist nicht auf Bestäubung angewiesen. Sie beginnt mit dem Fruchtwachstum noch bevor die Blüte aufblüht. Kurios, aber wahr! Bleibt eine Fremd- oder Selbstbestäubung aus, dann sind die Früchte samenlos.
Wenn trotz erfolgreicher Bestäubung die Blüten abfallen, dann kann das sehr viele Ursachen haben... Aber ich mach mal 'nen Punkt für den Moment...
Grüßle, Michi