Experiment "Mord"
Sicher werden die meisten schon einmal einen Kriminalroman gelesen, oder einen entsprechenden Film gesehen haben der sich mit dem Thema Mord auseinandersetzt. Es gibt welche die ganz interessant sind, andere weniger, aber inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass vermutlich keiner der Autoren über praktische Kenntnisse verfügt, jedenfalls konnte ich im Buchhandel bisher keine brauchbaren Anleitungen finden.
Sämtliche Mörder stehen vor der Problematik sich nicht erwischen zu lassen, bzw. die Leiche so zu verstecken, dass sie nicht gefunden wird, allerdings haben meine Versuche gezeigt, dass es an der Sache ein ganz anderes Problem gibt, man muss erst mal eine Leiche haben… und das ist schwieriger als gedacht.
Um heraus zu finden wie schwer es denn tatsächlich ist kann man sich endlos den Kopf darüber zerbrechen, aber grau ist alle Theorie, die Praxis wird es zeigen, also blieb mir nichts anderes übrig als es selber zu versuchen.
Als erstes musste eine Leiche her, aber die sind nach meinen Informationen nicht einfach so käuflich zu erwerben und ich habe auch keine herumliegen sehen und da mir niemand bekannt ist der mir einen Mord abnehmen würde blieb mir keine Wahl, ich musste es selber erledigen.
Nun gut, kann ja nicht so schwer sein jemanden ins Jenseits zu befördern und hat man den Entschluss erstmal gefasst schwinden alle Hemmungen von alleine, dafür taucht auch schon das erste Problem auf… man braucht ein Opfer.
Da mein Mord nicht dem Zweck dienen sollte schnelleren Zugriff auf ein Erbe zu haben oder sonstige niedere Beweggründe dahinter standen, konnte ich mich ganz auf die Problematik an sich konzentrieren. Es schien mir von Vorteil zu sein wenn ich das Opfer etwas genauer kenne weil ich es dann besser einschätzen kann und nach einigem Überlegen kam mir die Erkenntnis, dass es unter meinen Mitbewohnern jemanden gab der hervorragend dafür geeignet war – Emerald King.
Vor einigen Jahren hatte ihn jemand mitgebracht und hier gelassen, seit dem machte er immer wieder Ärger weil er deutlich mehr Platz in Anspruch nahm als ihm meiner Ansicht nach zustand. Je länger ich darüber nachdachte umso mehr Vorteile schien er mir als Opfer zu haben, nicht zuletzt weil es zwischen uns schon seit einiger Zeit immer wieder zu Auseinandersetzungen kam, auch wenn er dabei grundsätzlich den passiven Teil übernahm. Ich konnte ihm Vorwürfe machen, ihn anschreien oder handgreiflich werden, er wehrte sich nie, aber das machte es nicht besser, die Differenzen blieben bestehen. Emerald war einfach perfekt, er konnte nicht sprechen, also auch nicht schreien oder, für den Fall dass es nicht gleich funktionierte, gegen mich aussagen und er konnte sich ohne Hilfe nicht großartig bewegen, also konnte er auch nicht weglaufen.
Ohne irgendeine Erklärung zu geben zerrte ich Emerald von seinem Platz und beförderte ihn nach draußen wo ich ihn vorerst hilflos in der prallen Sonne liegen ließ. Allerdings muss ich zugeben, dass er dabei schon einige Verletzungen erleiden musste weil ich doch ein wenig unsanft mit ihm umgegangen bin, aber da er ohnehin ermordet werden sollte schien mir das nicht weiter tragisch zu sein. Ich wollte aber vorher sehen ob es überhaupt jemandem auffallen würde wenn er nicht mehr da war, außerdem bestand auch die Möglichkeit, dass er es vorziehen würde ohne Hilfe zu sterben, aber gemein wie er nun mal war tat er mir den Gefallen nicht.
Mir kam die Idee abzuwarten wie lange er es bei sommerlich heißen Temperaturen ohne Wasser aushalten konnte und so ließ ich ihn einfach liegen und da ihn offensichtlich niemand vermisste würde auch keiner nach ihm suchen, oder ihm sogar helfen.
In den folgenden Tagen hatte ich sehr viel zu erledigen und dachte nicht weiter an ihn, aber als ich dann wieder etwas mehr Zeit hatte ging es Emerald sichtbar schlecht. Abgesehen von einem schweren Sonnenbrand hatte der Wassermangel ihm sehr zugesetzt, ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht mehr lebte. Als ich dieses schlaffe Etwas mit dem Fuß anstieß wurde das Interesse von meinem Hund geweckt, aber bevor sie sich darüber hermachen konnte entsorgte ich Emeralds Leiche auf dem Misthaufen.
Am nächsten Tag kam ein warmer Sommerregen und Emerald lag halb unter Mist vergraben im Schmutz, ein trauriger Anblick.
Während ich noch überlegte, ob es nicht doch zu einfach war wenn ich ihn dort liegen ließ kam mein Hund und riss sich ein Stück von ihm ab um damit im Garten zu spielen. Es machte ihr sichtbaren Spaß sich die Beute um die Ohren zu schlagen, den Rest knurrend herum zu schleudern und schließlich in Kleinteile zu zerkauen. Mit der Zeit zerlegte sie immer mehr von Emerald auf diese Weise, es war auch etwas Mist nachgerutscht und schließlich war auf den ersten Blick nichts mehr von ihm zu sehen – das Problem Emerald hatte sich erledigt.
Weit gefehlt, so unglaublich das klingen mag, Emerald war niederträchtig genug um nicht einfach zu verrecken wie es ihm angedacht war. Zu meinem Verdruss verhielt sich mein Opfer also nicht wie geplant, sondern klammerte sich hartnäckig an den Rest seines jämmerlichen Daseins und hatte offensichtlich seine letzten Reserven aktivieren können, also wühlte ich ihn unter dem Mist hervor um mir ein genaues Bild von seinem Zustand zu machen.
Er sah nicht wirklich gut aus, schmutzig, zum Teil angefressen, aber es bestand auch kein Zweifel, er hatte irgendwie überleben können.
Um es kurz zu machen, in den folgenden Monaten ließ ich keine Gelegenheit aus um ihn doch noch umzubringen… so weit es mir möglich war hinderte ich ihn daran seine grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen und auch zum Winter hin musste er draußen bleiben und ohne Schutz sehen wie er zurecht kam. Gelegentlich kaute der Hund an ihm herum, ab und an gönnte ich mir auch mal das Vergnügen ihn mit einer Astschere zu quälen und beim letzten Sturm hat er mächtig was einstecken müssen.
Emerald ertrug diese Misshandlungen erstaunlich lange, aber irgendwann hatte er nichts mehr nachzusetzen, er gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Nur um sicher zu gehen zerlegte ich ihn in mehrere Teile, einige wurden vom Hund zerkaut und das letzte Stück landete doch wieder auf dem Misthaufen und wurde mit der Zeit verschüttet.
Das Problem mit dem Mord war also weniger die Frage wohin mit der Leiche, sondern viel mehr jemanden zu überzeugen dass er gefälligst umgehend und Termingerecht aus dieser Welt zu schleichen hat wenn ich das so beschlossen habe, aber wer weiß, vielleicht gibt es auch Opfer die sich weniger intensiv ihrer Vernichtung widersetzen.
Als im Frühjahr der Misthaufen umgeschichtet wurde tauchte der angegammelte Rest von Emerald wieder auf und mein Hund schleppte die Beute bei Seite, verlor aber recht schnell das Interesse daran. Später sammelte ich das Stück ein um es erneut zu entsorgen und stellte dabei fest, dass der verfluchte Kerl scheinbar unsterblich war… bei genauerer Betrachtung konnte ich immer noch einen letzten Rest Leben entdecken und kam zu dem Schluss, dass es gar nicht so einfach ist eine Leiche zu entsorgen wenn das Opfer partout nicht sterben will.
Vorläufig habe ich es aufgegeben ihn zu ermorden und inzwischen durfte er auch wieder sein altes Zimmer in Beschlag nehmen, wer so ausdauernd und erfolgreich sein Leben verteidigt hat es vielleicht doch verdient eine zweite Chance zu bekommen.
Emerald King hält sich nach wie vor an keine Grenzen, wenn ich ihn nicht regelmäßig fast vernichte macht er sich in mehr als einem Zimmer breit. Nicht zuletzt aus dem Grund habe ich ihn kürzlich wieder gnadenlos misshandelt, viel größer als ein Suppenhuhn ist er im Moment nicht und auch wenn er ein unbesiegbarer Kämpfer ist, so bleibt er doch nur ein Philodendron und ich bin keinesfalls bereit ihm ohne Gegenwehr meine Ruine zu überlassen.
Gruß Conya