Da es hier auch darum geht, verschiedene Standpunkte gegeneinander abzuwägen, möchte ich zunächst sagen, dass ich nicht vom Fach bin (Baumpflege, Obstbau etc.). Ich bin ein interessierter Laie, das aber sehr interessiert und nun auch schon seit ein paar Jahren. Ich pflege einen großen Bestand an Obstbäumen, der sich jährlich mehrt. Nicht alle diese Bäume sind meine eigenen.
Ich besitze 6 eigene Aprikosenbäume. Ich hatte recht intensiv zum Aprikosensterben recherchiert und im Ergebnis für mich akzeptiert, dass die Gefahr eines Baumverlustes bei Aprikosen besonders hoch ist. Aus meiner Sicht lohnt sich der Versuch aber dennoch, weil ich baumgereifte Aprikosen sehr schätze.
Man kann versuchen das Risiko etwas zu verringern, indem man die Bäume gut pflegt und Unterlagen verwendet, die sich als nicht besonders anfällig erwiesen haben. Die in Deutschland gern verwendete Standardunterlage St. Julien A hat eine gewisse Anfälligkeit gezeigt aber auch nicht überall. Ich verwende sie selbst weiterhin, tendiere für Pfirsiche und Aprikosen aber mittlerweile eher zu arteigenen Unterlagen und auch zu stärker wachsenden Unterlagen als ich sie früher verwendet habe. Ich selbst teste auch mit Aprikosensämlingen als Unterlage und für verschiedene Kronenformen, ebenso mit Pfirsich (für Aprikosen und Pfirsiche).
Lange Rede kurzer Sinn: Wenn ich hier etwas schreibe, erhebe ich keinen Anspruch auf alleinige Richtigkeit. Das Gleiche würde ich mir auch von Kritiken an meinen Ausführungen wünschen. Dafür ist es aber mindestens erforderlich auch zu lesen, was ich schrieb.
Wenn ich also für den konkret betrachteten Baum von Schnittmaßnahmen in diesem Jahr abrate, sage ich rein gar nichts darüber, ob der Sommerschnitt generell schädlich bei Aprikosen ist. Wieso das als abenteuerlich und darüber hinaus als nicht begründet bezeichnet wird, erschließt sich mir dann nicht. Die Begründung steht doch im Text.
Ich will nicht mit gleicher "Kelle" antworten aber der Umstand, dass jeder Schnitteingriff erst einmal eine Schwächung des Systemes "Baum" darstellt, wird nirgends bezweifelt. Da muss es hier irgendein Missverständnis geben, etwa weil nicht der Baum, sondern der Neutrieb gemeint wird oder ähnliches. Über die Folgen des Schnittes kann man lang und breit diskutieren. Ich halte einige der hier vorgenommenen Ausführungen für grundlegend falsch oder mindestens missverständlich. Eine Diskussion darüber wird dem Fragesteller hier aber nicht den erhofften Nutzen bringen. Auch darüber, dass Schnitteingriffe dennoch zweckmäßig sein können (auch für die Baumgesundheit) besteht kein Zweifel. Für mich gehören sie deshalb selbstverständlich zur optimalen Obstbaumpflege.
Das Entfernen von gesundem Baumgewebe nimmt dem Baum immer Reservestoffe. Ob dies für den Baum schädlich ist, hängt von vielen Umständen ab (z.B. dem Zeitpunkt und der Baumvitalität) und ist eine gänzlich andere Frage.
Wir sehen hier einen aus unbekannten Gründen geschwächten Baum. Hierauf soll nun eine weitere Schwächung (Wegnahme von Reservestoffen) die richtige Antwort sein? Das hat schon beim Aderlass nicht funktioniert
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Aber Spass beiseite: Wenn der Baum kein schwerwiegenderes Problem hat und z.B. "nur" spätfrostgeschädigt wurde (kann auch tödlich sein), müsste er sehr zeitnah mit kräftigem Neuaustrieb aus Reserveknospen (Nebenaugen, Adventiv- oder Proventivknospen) reagieren. Tut er das nicht, liegt ein tiefgreifenderes Problem vor. Dann könnte es sich in der Tat lohnen über eine Rodung/Neuanschaffung nachzudenken, da es ungewiss ist, ob der Baum überlebt und sich zeitnah/dauerhaft erholt.
Totholz sollte erst entfernt werden, wenn sicher ist wo der Baum neu austreibt. Vorher besteht die Gefahr versehentlich die sich neu bildenden Knospen zu entfernen, was dann bei diesem geschwächtem Baum in der Tat tödlich sein könnte. Dieser Baum braucht in diesem Jahr jedes Blatt, um seine Reserven wieder aufzufüllen. Um die weitere Erziehung kann/muss man sich erst im Anschluss kümmern. Ja, das kostet mindestens 1 Jahr. Hierfür ist aber die Schwächung verantwortlich, nicht der weggelassene Schnitt in diesem Jahr.
Man kann auch die empfohlenen radikale Schnittkur vornehmen, muss sich aber im Klaren sein, dass man die Gefahr eines Verlustes dadurch erhöht. Wir reden hier über Risiken und Chancen und nicht über gewisse Aussichten. Außerdem führt sie nicht zu einer Stärkung des Baumes und beseitigt den Zeitverlust daher auch nicht.
Da wir schon dabei sind:
Auf den Fotos sehe ich über die Jahre eine recht intensive Bodenbearbeitung rund um den Baum und -das ist das Problem- bis sehr nah an den Baum. Ein Umgraben der Baumscheibe sollte vermieden werden. Dadurch wird die Feinwurzelstruktur des Baumes regelmäßig zerstört. Die Feinwurzeln bilden sich schnell neu, wenn der Baum vital ist. Dennoch sollte der Boden nicht bis so nah am Stamm bearbeitet werden. Mindestens der Traufbereich der Krone sollte geschont werden. Das Wurzelsystem reicht zwar weit darüber hinaus, reicht dann aber schon tiefer. Wer nun dagegen argumentiert, dass Aprikosenwurzeln schnell in die Tiefe streben, übersieht, dass dies nicht für die wichtigen Feinwurzeln gilt und dass die Unterlage hier komplett unbekannt ist. Eine tiefgründige Bodenbearbeitung bis nah an den Stamm birgt die Gefahr, dass nicht nur sämtliche der wichtigen Feinwurzeln zerstört werden, sondern auch stärkeres Wurzelgewebe, welches für die Neubildung der Feinwurzeln benötigt wird.
Die Baumpfähle sehen nicht optimal aus. Sie scheinen einige der Äste zu berühren. Dies sorgt für Wunden in der Rinde, welche gerade bei den empfindlichen Aprikosen tunlichst vermieden werden sollten.
Der Baum steht nicht auf einer schwachwachsenden Unterlage. Diese sind für Aprikosen noch nicht üblich oder nur in Sondersituationen (z.B. Kübelkultur). Man erkennt es auch an der Entwicklung des Baumes über die Jahre. Es stehen schon Fotos seit 2015 in diesem Thread. Bis 2017 war die Entwicklung normal. Ich meine in 2017 eine gewisse Stagnation zu erkennen. Möglicherweise erfolgte in 2017 bereits ein Schnitteingriff.
Es ist nicht fernliegend, dass es tatsächlich St. Julien A sein könnte. Diese ist auf normalen Böden mittelstark wachsend. Auf mageren und trockenen Böden ist sie schwächer. Bei mir wächst sie auch auf Sandboden mittelstark. Wenn der Baum gut verankert ist, bedarf er der Stützpfähle möglicherweise schon nicht mehr.