Hallo Marco,
paradeisergarten schrieb:
Auch in einer eingriffeligen Blüte gibt es zumindest bei Tomaten ja mehrere Samenkörner (wie wir alle wissen), jedes davon ist normalerweise von Anfang an als Eizelle vorhanden (was ich nicht wusste) und wartet auf die Befruchtung durch ein einzelnes Pollenkorn, das durch Wachsen eines Pollenschlauchs durch den Griffel seine Erbanlagen überbringt (sehr salopp und unwissenschaftlich ausgedrückt - ist irgendwie weit komplizierter).
Damit ich dich richtig verstehe: Du meinst also, dass für die Entstehung eines Samenkorns genau ein Pollenkorn notwendig ist – und dieses Pollenkorn kann dann auch keine andere Eizelle mehr befruchten. Also kann jedes Pollenkorn nur einen Samen hervorbringen. Das heißt die „Kammer-Theorie“ (dass die Samen einer Fruchtkammer ident sind) trifft nicht zu, oder wie?
Das bedeutet dann, wenn man Saatgut einer F1 für eine eigene Sortenentwicklung ernten will, reicht theoretisch auch eine Frucht um eine ausreichende Variation in der Folgegeneration zu erhalten (also wenn man halt davon ausgeht, dass die Fläche für den F2-Anbau stärker begrenzt ist, als die Anzahl von Samen in einer Tomate – was bei uns Hobbyzüchter_innen wohl stets der Fall sein wird)
paradeisergarten schrieb:
Denn auch die (jeweils halben) Erbanlagen von Ei und Pollen müssen selbst in bzw. aus der gleichen Blüte nicht ident sein (soweit ich das bisher verstanden habe).
Genau, theoretisch wäre eine Liniensorte (so nennt man das vermarktungsfähige Produkt wiederholter Selbstbefruchtung = Inzuchtlinie) erst nach unendlich vielen Generationen zu 100% homozygot. Deshalb kann es auch in relativ stabilen Sorten doch vereinzelt zu sichtbaren Abweichungen in der Nachkommenschaft kommen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür sinkt aber mit jeder Generation in der Selbstbefruchtung stattfindet – und lässt sich durch den Heterozygotie-Anteil (Anteil an Genorten, die mit zwei verschiedenen Allelen besetzt sind) beschreiben: F2 = 50%, F3 = 25%, F4 = 12,5%, F5 = 6,25%, usw... d.h. In der F5 (also nach 5 Jahren) wären 93,75% aller Genorte bereits stabil, weil reinerbig.
paradeisergarten schrieb:
wir können nicht alles zumindest so einfach beeinflussen - und Vielfalt ist doch unser Ziel, oder?
...dem würd ich mich voll anschließen. Ich glaub das ist ganz wichtig zu verstehen, dass es da draußen eigentlich keine „Sorten“ (und schon gar keine „samenfesten“) gibt, sondern eigentlich nur eine Vielzahl pflanzlicher Individuen, die eine gewisse genetische Ausstattung in ihren Zellen tragen und gewissen Umweltbedingungen ausgesetzt sind (welche anscheinend auch abseits von klassischer Evolution mit dem Genotyp interagieren > Epigenetik).
Der Mensch teilt sie in Arten ein, was gedankliche Konstrukte sind (ich hoffe ich vergraule damit keine Biolog_innen/Botaniker_innen). Attraktive Individuen werden vermehrt, durchlaufen eine Koevolution mit dem Menschen und bekommen Sortennamen, damit Menschen untereinander über sie diskutieren können. Heute reden ja alle von „Biodiversität“ und man versucht sie zu verstehen und zu fassen (auch in Geldeinheiten), aber ich glaub ganz wichtig ist dabei auch Diversität zuzulassen, sprich Kontrolle aufzugeben. Und dem widerspricht das industrialisierte und kapitalistische Landwirtschaftsmodell in wichtigen Eckpunkten – und darüber sollte man wohl diskutieren.
Naja, genug geschwafelt...Was ich eigentlich fragen wollte war:
Gibts hier im Forum Gärtner_innen, die sich schon mit Sortenentwicklung beschäftigt haben oder dies in Zukunft vielleicht tun wollen?
Ich find das Thema auf alle Fälle sehr spannend und werde nächstes Jahr mal mit einer ersten F2-Sichtung beginnen. Da wärs spannend sich mit anderen die ähnliches vorhaben zu vernetzen, Saatgut auszutauschen und ähnliches...also falls sonst auch wer Interesse dran hat!
Lieben Gruß, Frantisek