Prager Botschaft

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Erding
Hallo,

vielleicht habt ihr auch am Sonntag Abend den Film "Prager Botschaft" gesehen und vielleicht habt ihr selbst eigene Erfahrungen gemacht und genau die würden mich und vielleicht auch andere interessieren.

Ich selbst bin in Dresden geboren und war 1989 genau 12 Jahre alt. Daher habe ich natürlich alles mitbekommen aber nur wenig verstanden. Viele Hintergründe habe ich erst Jahre später von meinen Eltern oder auch Freunden erfahren.

Was mir aber nach wie vor sehr lebendig in Erinnerung ist, ist die Euphorie die damals herschte von der ich unwissend über die Umstände mitgerissen wurde. Ich sehe noch Bilder vor mir als meine Eltern jubelnd vorm Fernseher die Nachrichten verfolgt haben und wir dann auf den Balkon gerannt sind und sämtliche Nachbarn auch auf dem Balkon standen und jubelten. Damals fragte ich mich, warum die Menschen so glücklich sind und was mit unserem Land, der DDR nicht stimmt. Heute weiß ich es natürlich und habe mir von meinen Eltern ausführlich erzählen lassen was sie so alles erlebt haben und warum sie unzufrieden waren.

Vielleicht habt ihr ja Lust mir eure Geschichten zu erzählen, z. B. ob ihr eine Flucht hinter euch habt, ob ihr noch da wohnt wo ihr auch zu DDR Zeiten gewohnt habt. Wir sind nämlich 1991 dann nach Bayern gezogen, weil mein Vater von seiner Firma aus 1989 schon da hingeschickt und von der bayerischen Firma übernommen wurde. Allerdings weiß ich heute, dass ich haarscharf um die Flucht rumgekommen bin, da meine Eltern eigentlich schon auf gepackten Koffern saßen.

Ich bin gespannt auf Eure Berichte....

in großer Erwartung
Sonnenblume
 
  • Hi Sonnenblume, schön das sich jemand dafür interessiert. Allerdings bin ich mir sicher das einige den Beitrag überflüssig finden werden. Also, zur Wendezeit wohnten wir im nördl. Brandenburg. Als das damals losging hockte ich bei jeder Nachrichtensendung vor der Glotze (war vorher nicht so). Ich konnte garnicht genug davon kriegen. Ich habe sicher auch mal daran gedacht wie es wäre wenn man sich mit samt der Familie davon macht. Allerdings war da auch der Spruch "nicht alles was glänzt ist Gold" im Kopf und alles war nun auch nicht schlecht obwohl ich eher zu denen zählte die die Gusche aufgerissen und gesagt haben was ihnen nicht passt. Auf einer dieser besagten Montagsdemo's bin ich nie gewesen, denn ich hätte nicht gedacht das es was bringt (Irrtum ist seit vielen Jahren klar). Ich habe nach der Wende bis 1999 noch in Schwedt gewohnt, aber seit ca. einem 1/2 Jahr vorher fingen wir an uns Gedanken zu machen doch zu gehen. So bin ich im April 99 nach Niederbayern gegangen (Job war schon 14 Tage vorher klar gemacht) und meine Familie ist im Juli 99 hinterher da ja das Schuljahr erst beendet werden mußte und ich so Zeit hatte eine Wohnung zu finden. In den 3 Monaten habe ich bei Freunden gewohnt die schon 1993 hierher gezogen waren. Dafür bin ich heute noch dankbar, denn das war schon besser als ein App. zu mieten. Nach dem Umzug war uns nicht klar ob unsere Kinder vielleicht Heimweh kriegen könnten und so haben wir sie gefragt. Zum Glück war das nicht so. Wenn wir mal gefragt wurden ob wir es bereuen würden gegangen zu sein haben wir gesagt: Ja, bereuen nicht früher den Schritt gewagt zu haben. Heute fahre ich ich immer wieder gern zurück, denn ich habe ja noch eine Schwester dort und viele Freunde haben wir zurück gelassen die wir gern besuchen so wie bei uns auch jeder gern willkommen ist. Ich kann also nicht mit einer Flucht-Story aufwarten, aber wenn solche Berichte im TV laufen dann bin ich wieder vor der Glotze gefesselt und erstaunt was manche Leute riskiert haben (wer von der Stasi verfolgt und bespitzelt wurde hat sowas eben riskiert und da kann ich nicht mitreden). Mein Vater wurde mal früh um 8.00 Uhr von der Arbeit durch die Stasi abgeholt und kam erst am Abend gegen 22.00 Uhr wieder nach Hause. Die müssen ihn weich geklopft haben, denn er hat nie rausgelassen was ihm passiert ist. Er hat immer nur gewarnt vor zu offenen anti- soz. Reden (auch wenn ich polit. Witze erzählt habe meinte er ich soll ja aufpassen wer dabei ist) Er hat niemandem mehr richtig vertraut, denn jeder hätte in seinen Augen ein Spitzel sein können.Also der spektakuläre Fall bin ich nicht, eher einer von vielen.
    avenso der seine Herkunft nie verleugnen würde.
     
    Ich bin auch stolz drauf hier im Osten aufgewachsen zu sein und auch noch hier zu wohnen obwohl wir uns manchmal fragen was uns hier noch hält wen wir das Grundstück nicht hätten wären wir bestimmt auch schon fort es ist schwer hier vernünftige Arbeit zu finden.
    Aber auch ich wurde von einigen Mitschülern bespitzelt sie haben sogar Geld dafür bekommen was sich später herausstellte und sie auch bestädigten.Der Grund dafür war halt das ich durch eine gute Beziehung zu einen West Onkel schon immer eine etwas andere Meinung zur DDR hatte als lieb war.Bei mir ließen sie es an den Zensuren aus was mich damals aber nicht störte!
     
  • Bonjour@ Alle

    Ich wurde 1982, 3 Wochen nach meiner Einberufung zur Armee (NVA), fistlos aus selbiger entlassen, und musste innerhalb von 24 Stunden das Land (DDR) verlassen.
    Meine Frau hatte sich erdreistet, über das algerische Konsulat, einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen.
    Meine Frau lernte ich 1982 im Frühjahr kennen, und wir heirateten nach 3 Monaten. Sie war damals Studentin in Ostberlin, und stammte aus Algerien, aus der Stadt Oran.
    Ich war bis 1982 nie ein besonders politischer Mensch, und wusste gar nicht, wie mir geschah. Ich hatte keine Verwanten in der BRD, oder sonst wo im Ausland.
    Allerdings grenzte meine Heirat, die in der algerischen Botschaft besiegelt wurde, für die DDR an Hochverrat, da diese für die Ostbehörden, als ein Vergehen gegen den Staat angesehen wurde. Ausgerechnet Algerien, ein sozialistisches Bruderland, arabischer Nation, mutierte plötzlich zum Feindesland.
    Nach 3 Tagen in Berlin-W, waren meine Papiere für die Weiterreise komplett, und es ging per Flugzeug nach Paris und dann nach Marseille, und von dort mit dem Schiff nach Oran/Algerien.
    Dort angekommen, dachte ich, ich hätte einen Zeitsprung in die Grotewohl Zeit gemacht, mit anderen Darstellern, eine Art DDR-Simpley, mit französisch-arabischen Hauch. Den restlichen Papierkrieg habe ich dann in den beiden deutschen Konsulaten in Algier abgewickelt. Außerdem durfte ich nur 3 Monate in Algerien bleiben, da lt. der alg. Behörden, die Ehefrau in das Land ihres Mannes gehen muss.

    Bei Interesse schreibe ich weiter, für heute sollte es erst mal genug sein.
     
  • was für ne spannende Geschichte, natürlich will ich davon mehr hören!

    Man bekommt doch echt Gänsehaut, wenn man so erfährt was alles möglich war in meinem Heimatland!

    Ich habe damals mit meinen 14 Jahren, die ich alt war, als wir nach Oberbayern gezogen sind schwer an Heimweh gelitten, natürlich ist die Pubertät nicht das optimalste Alter für so eine Veränderung, für mich brach eine Welt zusammen, da nutzte mir der ganze Neid meiner Freundin, oder besser gesagt deren Eltern gar nix.

    Wenn ich heute nach Dresden fahre ist es eine fremde Stadt für mich, da hat sich soviel verändert, dass ich einen Stadtplan brauche um von A nach B zu kommen. Allerdings ging es mir diesen Sommer in München ähnlich als ich über die A9 in den Münchner Norden gefahren bin und zum ersten Mal die Allianz Arena aus der Nähe betrachtet habe.

    Als ich dann die Realschule abgeschlossen hatte und auf Ausbildungsplatzsuche gegangen bin und damals noch wählen konnte bei welchem Augenoptiker ich anfangen möchte war ich schon erschrocken wie es meinen Freunden in Dresden ging. Mit Schulabschluß von 1,3 hatte eine Freundin ne Lehre zur Einzelhandelskauffrau bei Tengelmann begonnen und ich konnte mit Abschluß von 3,3 wählen wo ich arbeiten möchte.

    Liebe Grüße Sonnenblume
     
    vielleicht habt ihr auch am Sonntag Abend den Film "Prager Botschaft" gesehen

    hab ich auch gesehen!
    ein stück erlebte zeitgeschichte...
    und immer wieder gänsehautproduzierend...
    die leute, die das gewagt habem, haben meinen größten respekt!

    obwohl ich jedesmal denke, dass genscher - so rein theoretisch - auf dem balkon auch was ganz anderes gesagt haben könnte!
    die zweite hälfte seines satzes ging ja - verständlicherweise - komplett unter...

    phila
     
  • hab ich auch gesehen!
    ein stück erlebte zeitgeschichte...
    und immer wieder gänsehautproduzierend...
    die leute, die das gewagt habem, haben meinen größten respekt!

    obwohl ich jedesmal denke, dass genscher - so rein theoretisch - auf dem balkon auch was ganz anderes gesagt haben könnte!
    die zweite hälfte seines satzes ging ja - verständlicherweise - komplett unter...

    phila

    ja genau, das gleiche denke ich auch immer wieder wenn ich den Satz höre. Aber aus so einem Missverständnis heraus ist ja die Mauer letztendlich auch gefallen, welch ein Glück, dass der Nachrichtensprecher nur seinen Zettel vorgelesen hat und die Grenzbeamten keine Zeit mehr hatten sich abzusprechen.

    Da lernt man viele Jahre Geschichte in der Schule und darf dabei sein wenn Geschichte geschrieben wird!

    Gruß Sonnenblume
     
    sogar die Amis waren sooo überrascht, dass sie der Maueröffnung nur eine 1-minütige Einblendung in den "action news" gönnten ...

    niwashi, der zu der Zeit am beach von Miami weilte ...
     
    sogar die Amis waren sooo überrascht, dass sie der Maueröffnung nur eine 1-minütige Einblendung in den "action news" gönnten ...

    niwashi, der zu der Zeit am beach von Miami weilte ...

    wie soooo überrascht? Hat die Amis das überhaupt interessiert?

    Sonnenblume, die auch mal gern nach Miami möchte...
     
    Hallo Bernd 810
    a010.gif


    Ja, klar interessiert uns deine Geschichte.
    Ich würde mich freuen, wenn ich deinen weiteren
    Lebensweg erfahren würde.
    Ich persönlich habe damals mit "dem Osten" nichts zu tun gehabt.
    Doch als die Mauer fiel, habe ich vor Ergriffenheit geheult wie ein Schloßhund.


    Alles Liebe und Gute
    UTE,
    c018.gif
    die 1990 das erste mal in Leipzig und in Seiffen war
     
  • Find ich auch es sollen noch mehr erfahren wie es damals wirklich war.Es gibt noch viele die es sich gar nicht vorstellen können was hier abging.Es sollten aber nicht nur die schlechten Seiten auch die guten erzählt werden!
     
    wie es damals wirklich war:

    kaum waren die Grenzen offen, haben uns die lieben Verwandten aus dem Osten heimgesucht ... wochenlang bei uns zuhause wie die Made im Speck Urlaub gemacht, Ansprüche gestellt und das Wort "Danke" vergessen ...

    niwashi, der seinen Teil der Vereinigung von der etwas nüchternen Seite erlebt hat ...

    PS dass in den Jahren zuvor meine Familie zig 1000e von DM (das war die gute Währung vor dem €) in jeglicher Form rüber brachte, sich dafür die Autos zerlegen lassen mußten, ja das haben sie auch mit keiner Silbe gutiert ... ganz im Gegenteil, man hat noch eine Liste geschickt mit Luxuswünschen (die nicht mal wir selbst hatten!)
     
    ja niwashi,

    das ist definitiv die andere seite der medallie.
    das gabs sicherlich auch zur genüge...

    phila
     
    wie es damals wirklich war:

    !)

    Kaum waren die Grenzen offen kamen die Westverwanden nicht mehr da sie keinen billig Urlaub mehr machen konnten.Wir stellten keine Ansprüche und bekamen auch nichts außer mal eine Tafel Schokolade oder so.Ist aber bei Urlaub Allinklusiv ja wohl nicht zu viel.
    Ja so war die Geschichte aus unserer Sicht, man muss beide Seiten sehen und auch kennen!
     
    ja wir hatten auch Bekannte im Westen die uns tolle Päckchen geschickt haben!

    Die einen waren selbst aus Dresden und sind halt abgehausen, von denen gab es immer Päckchen mit abgebrannten Kerzen, gebrauchten Unterhosen und offenen und teilweise abgelaufenen Kaffee. Schokolade für uns Kinder war da nie drin.

    Von den anderen, auch Freunde meiner Mama, gab es jedes Jahr mindestens ein Päckchen, spätestens zum Nikolaus (vielleicht waren es auch mehr, ich weiß es nicht, war ja damals noch ein Kind) und da waren immer furchtbar leckere Sachen drin und meistens auch die Klamotten der Kinder die ihnen zu klein waren, wir haben uns darüber riesig gefreut, weil ich war ja damit in der Schule obercool. Und gut gerochen haben die Sachen, dass ich nie wollte das meine Mama sie wäscht!

    Tja, zu den ersten Bekannten: Nach dem Mauerfall standen sie bei uns vor der Türe und hatten von Braunschweig kommend unterwegs eine Panne und kamen mit einem Ersatzauto. Das erste was dieser Mensch meinen Eltern gegenüber äußerte (nach 20 Jahren, das erste Mal wieder sehen): "Das ist aber nicht meine Auto)" Den Rest des Tages haben sie uns erzählt was sie alles tolles haben. Ich kann mich da noch sehr gut dran erinnern und fand es damals schon als Kind schrecklich. Das war dann auch der letzte Kontakt, ist nun schon 15 Jahre her.

    Die zweiten Bekannten haben wir nach dem Mauerfall in Freiburg besucht und ich muß sagen, dass war bis dahin mein schönster Urlaub den wir je hatten. Sie haben sich soooooo viel Mühe gegeben und uns Freiburg gezeigt und .... ach ich kann es gar ned aufzählen, es war einfach wunderschön!

    Der Kontakt zwischen meinen Eltern und denen besteht heute noch!

    Kommt wohl eher auf die Menschen selbst an als auf Osten und Westen! Ist schon schade dass in vielen Köpfen die Mauer noch steht und vielleicht liegt das ja an so viel Unwissenheit!

    Lieben Grüße Sonnenblume
     
    @Sonnenblümchen
    ich wollte nicht pauschalisieren sondern nur meine persönlichen Erfahrungen schildern!

    niwashi, der auch nette Ossis kennt ... gelle, Blümchen ...

    PS für das Raubrittertum der Wessis, die alles gleich wieder haben wollten auf Gedeih und Verderb und sich wie die Kings benahmen, könnt ich mich auch schämen ...
     
    ich hab auch in verschiedenen Firmen miterleben dürfen wie "Ossis" sämtliche Klischees bedienten! War mir klar, dass du es ned pauschalisieren wolltest.

    Wollten wir nicht alle den Mauerfall?

    Sonnenblümchen fragt sich das oft!
     
    ich finde leiute, die "am liebsten die mauer wieder hochziehen" wollen furchtbar!
    und die gibt es sowohl in den neuen als auch in den alten bundesländern.
    DIE haben nichts verstanden!

    klar: zwei welten prallten aufeinander und ich hätte nie gedacht, dass es auch nur halbwegs funktionieren könnte.

    ich kann aber auch owohl die verstehen, denen es sauer aufstößt, dass "die ossis" kamen und "alles vereinnahmten", als auch eben die "ossis", die sich allem neuen fügen und sich ab und an wie bittsteller fühlen mussen.

    ich finde ein deutschland schön und richtig. der vorherige zustand war schlicht absurd!

    sorry für die vielen anführungszeichen, aber die mussten sein...

    phila
     
    Ja wussten denn die "Wessis" ned, dass die DDR bankrott war?

    Und wußten denn die "Ossis" ned, dass sich ein Land ned allein aus dem Dreck zieht?

    Gruß Sonnenblume
     
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