In Baden-Württemberg/ im südl. Hessen gab es (und gibt es auch heute noch) einen großen Mangel an Wirtschaftsdünger*. Kleinräumige und Splitterflächen haben noch zusätzlich zum Streuobstbau beigetragen. Einzeln stehende Bäume auf Sämlingsunterlagen und Schnitttechniken, die einen Baum sehr stark aufbauen und dadurch bis ins hohe Alter gesund halten, sind eine Anpassung daran, nicht umgekehrt. (Das Land schwach und der Stundenlohn ebenfalls schwach, die Bewirtschaftung extensiv).
Beginnt man diese (ökologisch sehr wertvollen!!!) Flächen zu düngen oder gar zu wässern, um die Fruchtbarkeit zu erhöhen und die Bewirtschaftung zu intensivieren (so wird leider auch der hochsubventionierte der Maisanbau möglich), so werden viel produktivere Anbauformen im Obstbau mit ihren neuzeitlichen Kronengestaltungen und damit bessere Wirtschaftlichkeit/höhere Rentabilität möglich. Man verdrängt nicht nur die erhaltenswerte Kulturlandschaft, sondern auch den Oeschbergschnitt.
Zu deiner Spindelbusch-Frage (bzw. schwache Unterlagen-Frage, die ich da so ein bisschen herauslese):
Nein, das geht nicht.
Ein Spindelbusch wird in den ersten 2, je nach Boden auch 3 Jahren heftig angeschnitten, damit möglichst viele Knospen durchtreiben. Das ist notwendig, damit der Baum möglichst schnell sein angedachtes Kronenvolumen ausfüllt.
Nur ein starker Anstieg des Kronenvolumens ermöglicht früh einen hohen Ertrag (was obendrein wirtschaftlich gewünscht ist). Nur ein hoher Ertrag in jungen Jahren mindert den Wuchs des Jungbaumes so, dass kaum starkes Holz entsteht. (an der Steigerung, der schlanken Spindel, lässt man gar kein starkes Holz zu). Bleibt das Seitenholz dünn, so bleibt der Neuaustrieb flacher. Das Holz dickt nicht auf, man muss weniger in dickes Holz schneiden, der Wuchs beruhigt sich, der Baum bleibt produktiver, kleiner, pflegeleichter. Da neue Triebe bei der Instandhaltung basisnah oder direkt von der einzigen Mitte hervorgebracht werden, sodass sich kein altes Holz oder Verzweigungen zwischen der Frucht und der Wurzel befinden, ist die Fruchtqualität sehr hoch und die Alternanz stark vermindert.
Bei allen Oeschberg-Variationen darf zu Beginn auf keinen Fall stark geschnitten werden, weil sich sonst zwangsläufig Triebe im inneren und nach innen bilden. Diese können auch nicht herab gebunden werden, weil es schlichtweg keine Triebe zum inneren geben darf. Sie müssen also zwangsläufig geschnitten werden, wodurch weiterer Austrieb provoziert wird etc… der Wuchs beruhig sich daher nicht.
Ein ganz ganz großer Geniestreich des Oeschbergschnittes besteht gerade darin, dass aus der Baumschule die Sämlinge nur sehr wenige Feinwurzeln besitzen und daher in den ersten 2…3 Jahren sehr viel schwächer wachsen als vegetativ vermehrte Typenunterlagen, die durch ihr gutes Feinwurzelwerk sofort beeindruckend kräftig loslegen.
Die Beruhigung des Sämlings durch flache Leitäste mit langem Zuwachs und herunterbinden der nicht benötigter Triebe kann nur (und muss) geschehen, bevor der Sämling richtig Fuß gefasst hat.
Auf guten Böden mit niedrigen Löhnen kann man langlebige Obstbäume übrigens auch durch diverse Hecken- und Spaliersysteme heranziehen (wenn man dem gekünstelten Kronenbau etwas abgewinnen kann). Der stärkere Wuchs langlebiger Unterlagen wird in den ersten Jahren durch einen stetigen, sehr arbeitsaufwendigen Kampf gegen die Natur im Zaum gehalten, aber: Die Erträge sind sehr hoch und die Pflückhöhen niedrig. Also, wenn’s auf die Rente zugeht…
*offtopic: Man könnte dieses und gleichzeitig auch das viel größere Problem der Gülleentsorgung im Norden dadurch lösen, dass man eine Pipeline bis in die unterversorgten Gebiete Deutschlands legt.