Neuen Pflaumenbaum heranziehen aus Wurzeltrieben?

[gionpur]

Hallo zusammen
Wir haben im Obstgarten einen alten, unveredelten Pflaumenbaum. Dieser hat jedes Jahr zahlreiche Wurzeltriebe meterweit vom Stamm entfernt.
Jetzt zu meiner Frage: kann ich einen dieser Triebe benutzen, um mir quasi am alten Wurzelwerk, einen neuen Baum heranzuziehen? Bleibt das Wurzelwerk intakt, wenn ich den alten Baum fälle?

Vielen Dank schon mal für eure Antworten.

 

[Linserich]

Ja, das kannst du. Ich würde aber zuerst einmal einen Trieb auswählen und aufziehen und erst nach einigen Jahren den alten Baum fällen. Falls das wirklich nötig ist.

 

[Elkevogel]

Hallo gionpur,

ja, das klappt prima.
Und am besten lässt Du nur 2 oder 3 Stämme gezielt wachsen (alles andere konsequent rupfen) und in paar Jahren veredelst Du (oder lässt veredeln) mit 2/3 Sorten: z.B. Zwetschge früh, spät und Mirabelle.

Grins - ich habe hier auch so ein Schätzchen (erst Baum gefällt weil krank und morsch):
Aus den wilden Trieben wird es lt. Opa Nachbar (der echt Ahnung hat) nur schwache Früchte geben und die auch erst wer weiß wann.

Nach dem Fällen 2010 wuchs da ein hübscher Busch und wurde immer größer. Irgendwann nach ein paar Jahren habe ich Opa Nachbar gefragt, was das denn wohl ist.
Eine wilde Zwetschge. Die veredeln wir!
Der erste Versuch mit Mirabelle hat leider nicht geklappt. Der 2. Anlauf mit früher und später Zwetschge war erfolgreich.
Erste Ernte war für dieses Jahr vorgesehen - der späte Frost hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Dann halt 2018.
Das bekommst Du auch hina:

LG
Elkevogel

 

[gionpur]

Vielen Dank Wasserlinse
Genau das habe ich vor.

Danke für die ausführliche Antwort Elkevogel
Schade zu hören, dass daraus nur schwache Früchte geben wird. Kann ich echt auf den Wurzeltrieb die alte Pflaume selbst draufveredeln?
Den Hinweis mit der Veredelung nehme ich mir zu Herzen, hatte da auch unter anderem Mirabelle/Aprikose im Sinn. Probieren kann man es ja. =)

Liebe Grüsse gionpur

 

[gionpur]

Hallo zusammen

Ich habe jetzt mal ein Stämmchen wachsen lassen. Wenn es dick genug wird, werde ich es im Sommer okulieren. Bin gespannt ob die Veredelung anwächst.
Eines Frage, die mich noch interessieren würde ist wieso die Früchte des Wurzeltriebes in der Regel von schlechterer Qualität sind, obwohl die Pflanze ja im Grunde genetisch identisch mit der Mutterpflanze ist. Kennt sich da einer aus?

Vielen Dank schon mal für die Antworten =)

 

[Linserich]

Diese Frage würde mich auch interessieren, denn für mich klingt deine Logik eigentlich schlüssig.

 

[carot]

Wenn die Mutterpflanze wirklich wurzelecht ist, ist auch der Trieb "echt". Er ist dann genetisch identisch mit der Mutterpflanze. Eine Veredelung entfällt somit, wenn es darum geht, die Mutterpflanze zu vermehren.

Die Früchte sind dann auch nicht von schlechterer Qualität. Dein Nachbar ging bei dem anderen Bäumchen offenbar davon aus, dass der nicht wurzelecht ist/war.

Das Problem mit diesen alten Bäumen ist, dass man nicht sicher sein kann, dass er nicht doch auf eine Sämlingsunterlage veredelt worden war. Mit zunehmendem Alter (des Baumes) wird es immer schwerer die Veredelungsstelle zu erkennen. Wenn Unterlage und Sorte einen gleich starken Wuchs zeigen, ist es manchmal nicht mehr möglich eine Veredelungsstelle auszumachen, obwohl sie vorhanden ist.

Wenn Du sicher gehen willst, musst Du abwarten, bis der Wurzelschosser selbst fruchtet.

Du könntest auch eine Doppelstrategie fahren. Lasse 1-2 Triebe der Unterlage stehen und veredele die Ursprungssorte etwas darüber in den Mitteltrieb. Die treibende Veredelung behandelst Du dann so, dass Du später zur Not auch die tieferen Triebe der Unterlage noch entfernen könntest, falls sich nicht die gewünschte Fruchtqualität einstellt.

Oder Du behandelst den Schosser von Anfang an wie eine reine Unterlage und veredelst ganz normal. Dann wirst Du aber nie sicher sein, ob der Mutterbaum wirklich wurzelecht ist. Wenn Du Dir damit sicher bist, brauchst Du nicht zu veredeln.

 

[gionpur]

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort carot

Tragen denn veredelte Bäume grundsätzlich früher Früchte als unveredelte?
Wahrscheinlich werde ich mal wirklich nur denn Mitteltrieb veredeln und an den Seiten vielleicht sogar mal andere Sorten veredeln.

 

[carot]

Das kann man nicht einfach mit ja oder nein beantworten.

Veredelt bedeutet, dass der Baum mindestens aus 2 Teilen besteht, nämlich aus Unterlage und Sorte. Wenn die Sorte dabei von einem adulten Muttterbaum entnommen wurden, hat dieser Reiser/diese Knospe das Alter des Mutterbaumes. Er macht im weiteren Wachstum nicht mehr das Jugendstadium eines Sämlinges durch. Sämlinge machen ein Jugendstadium durch, in welchem sie keine Blütenknospen bilden, sondern nur wachsen. Diesen Schritt überspringt man bei der Veredelung. Aus diesem Grund kann eine Veredelung theoretisch sofort fruchten. Es ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll, auch die Veredelung erst einige Zeit (Jahre) wachsen zu lassen, bevor man sie fruchten lässt.

Unveredelt bedeutet letztlich wurzelecht. Die Pflanze besteht also "von Kopf bis Fuß" nur aus einem Teil. Handelt es sich um einen Sämling, muss er zunächst das oben angesprochene Jugendstadium durchmachen, bevor er Blütenknospen und damit auch Früchte bilden kann. Wie lange das dauert, ist individuell verschieden und hängt natürlich auch von der Art ab. Handelt es sich bei der wurzelechten Pflanze aber um ein bewurzeltes Steckholz oder einen bewurzelten Steckling, hat auch diese Pflanze das Alter der Mutterpflanze und kann deshalb aus denselben Gründen wie bei einer Veredelung theoretisch sofort fruchten. Meist wachsen Stecklinge/Steckhölzer langsamer als eine Veredelung, da die Pflanze erst ein ausreichendes Wurzelsystem bilden muss. Das dauert länger als bei einer Veredelung, bei der die Wurzel ja schon voll funktionsfähig vorhanden ist. Einem Steckling/einem Steckholz sollte man deshalb noch länger Zeit geben als einer Veredelung bis man erste Früchte zulässt.

Zusammenfassend: Sämlinge machen ein Jugendstadium durch in welchem sie nicht blühen. Veredelungen, Steckhölzer und Stecklinge überspringen das Jugendstadium und fruchten deshalb regelmäßig schneller als Sämlinge. Es gibt aber auch Arten bei denen Sämlinge nur eine sehr kurze Jugendphase durchmachen und deshalb auch relativ schnell fruchten.

Die Wurzelschosser wurzelechter Mutterpflanzen gehören dabei grundsätzlich zur Kategorie Steckholz/Steckling (in Bezug auf das Alter), sie können aber ebenfalls schon auf eine besser ausgebildetes Wurzelsystem zurückgreifen, da sie teilweise das Wurzelsystem der Mutterpflanze nutzen. Sie wachsen deshalb stürmischer als Steckhölzer/Stecklinge und können auch früher fruchten.

Das ist eine stark vereinfachte Darstellung, da Wurzelschosser auch noch eine Art Jugendphase durchmachen. Diese ist aber kürzer als bei Sämlingen. Es gibt noch andere Vermehrungsarten, bei denen die Pflanze ebenfalls biologisch zurück in das Jugendstadium versetzt wird (z.B. Meristemvermehrung). Das Thema ist komplex aber ich denke die Frage wurde damit beantwortet.

 

[Elkevogel]

Hallo gionpur,

Dann halt 2018.
Das bekommst Du auch hina:

LG
Elkevogel

Update

Dieses Jahr geht was - von der frühen Zwetschgenveredelung konnten wir immerhin 7 leckere Früchte ernten (mehr davon dürfen wir bei Nachbars holen).
Die vermeintlich "späte Zwetschge" ist nun doch Mirabelle "von Nancy" und die Zweige hängen ziemlich voll:d

Der ganze Spaß hat jetzt 8 Jahre gedauert.
Erst die Wurzelschosser wachsen lassen, dann 2 Stämme auswählen, die bleiben und weiter wachsen durften und dann die Veredelung. Ich glaube das war 2014 und 2015 (eine Veredelung hatte den ersten Winter nicht überlebt und daher im Folgejahr ein 2. Anlauf - bei der Opa Nachbar meinte, es sei die späte Zwetschge.)
Ich fand und finde das total spannend und dafür dass es kein Geld kostet, ist das eine tolle Möglichkeit genau die Pflaume/Zwetschge/Mirabelle... in den Garten zu bekommen, die man haben möchte.

Ach ja, die Veredelungsstelle ist bei uns auf etwa 150 cm Höhe. Ich hätte sie gerne etwas höher gehabt (also noch ein Jahr gewartet), da mir der Baum so ein bisschen zu weit unten in einen Durchgang zum Kompost ragt.
Aber das muss ja jeder selber überlegen und entscheiden, wenn er denn die Veredelung selber macht oder beauftragt.
Bei uns hat Opa Nachbar es einfach gemacht und ich freue mich darüber. Aufasten kann ich immer noch - grins.

Viel Erfolg und liebe Grüße


Elkevogel

 

[gionpur]

Guten Abend Elkevogel

Vielen lieben Dank für das Update.
8 Jahre ist eine lange Zeit, aber schön hat sich das Warten gelohnt =) ich finde diese Möglichkeit auch toll, leider wurde mein einjähriges Bäumchen vom Bauern samt Stützpfahl niedergemäht... Ich habe jetzt noch einen Wurzelausläufer, den ich letztes Jahr von der Mutterpflanze getrennt hatte. Dieser hat nach anfänglicher Mühe schön durch getrieben, nächstes Jahr wird veredelt =) Abgesehen von den Wurzeltrieben habe ich im Frühjahr Unterlagen bestellt und selber Kopuliert, alle Veredelungen sind angewachsen. In Zukunft werde ich es so machen, v.a. weil die bestellten Unterlagen keine nervigen Wurzeltriebe bilden (sollen)

Hmm, hättest du die Krone nicht durch Schnittmassnahmen nicht künstlich höher ansetzen können? Naja, die Bäume wachsen, wie sie wachsen =)

Freundliche Grüsse

gionpur

 

[Elkevogel]

Hallo gionpur,

naja, die 8 Jahre sind ja von Anfang an gerechnet - also als ich diesen "Busch" entdeckt habe und Opa Nachbar (der übrigens bald 90 wird) gefragt habe, was das ist.
Dazwischen hatten wir ein paar "schlechte" Jahre: harten Frost, Spät-/Kahlfrost - da leidet so ein Bäumchen schon.

Und da eigentlich kein weiterer Obstbaum (eine Kirsche haben wir 2009 gepflanzt) geplant war, konnte ich mich auch gut in Geduld üben. Es war mir nicht wirklich wichtig und da der Stamm freundlicherweise am Ende einer Hecke wächst auch nicht im Weg oder störend bei der Gartengestaltung.
Ich werde in den nächsten Jahren langsam aufasten = die Krone durch Schnittmaßnahmen höher ansetzen.
Aber erstmal sollte sich das Bäumchen gesund entwickeln können.
Viel Erfolg mit Deinen neuen Bäumchen und bitte, halte uns auf dem laufendena:

LG
Elkevogel