Desperado hat nicht ganz unrecht, der Schnittzeitpunkt ist jetzt nicht optimal.
Allerdings wird er es definitiv überleben, denn solch junge Bäume sind recht robust.
Aber es gibt eine Reihe Gründe die gegen den jetztigen Zeitraum sprechen.
Ich hab an 3 meiner Apfelbäume Monillia (Spitzendürre) eine ansteckende Bakterienerkrankung. Es sind ausgerechnet die drei Bäume, die ich erst im späten Frühjahr hinzubekommen habe. Andere Bäume die einige Wochen länger standen hatten es nicht bekommen.
Nächste Woche werde ich diese durch Rückschnitt bekämpfen, das machen aber leider nicht alle und so fliegen derzeit viele Bakterien, Sporen und anderes herum.
Im Winter ist dies weniger der Fall.
Läusebefall: Ist im regelfall recht harmlos für den Baum, auch wenn das Wachstum natürlich auf fast Null zurückgeht. Wenn dein Baum nach dem Rückschnitt neu austreibt und dann befallen wird, kann - ohne Bekämpfung - der Baum sogar daran eingehen.
Wachstumbremse: Sommerschnitt bremst das Wachstum, was aber bei einem Jungbaum nicht erwünscht ist. Für dich heißt es, dass du durch einen Schnitt zu diesem Zeitraum keine Zeit gewinnen wirst. Allerdings verlierst du auch keine Zeit.
Der Marsrakteneffekt (nenne nur ich so). Bei einem Radikalschnitt wird der Stamm nach oben schießen wie eine Marsrakte.
Als ich noch gar keine Ahnung hatte, hab ich bei einer 14 Jahre alten Wildkirsche die Triebspitzen und einige Äste abgeschnitten. Es war der erste Schnitt den der Baum damals erfahren hatte und getragen hatte er auch noch nie. Mit nur ca. 1,8m Höhe war er auch nur ein Zwerg und ist im Zeitlupentempo gewachsen. Im Herbst des Jahres war der Kirschbaum 4 m. hoch = Marsrakete.
Falls du dennoch Schneiden willst, hier mal der grobe Schnittplan.
1. So wie der Baum in der Landschaft steht eignet er sich für eine Buschbaumerziehung. Ich gehe davon aus, dass der Baum auf einer M9 Unterlage veredelt wurde und würde somit auch nur ca. 2,5 m. hoch und demnach auch als Buschbaum leicht zu beernten.
2. Spindeln sind nur dann ertragreicher, wenn du auch wirklich den Platz darum herum nutzt. Wenn er so frei steht, dann wird der Buschbaum sicherlich doppelt soviel abwerfen.
3. Spindeln sind aufwendiger im Schnitt, dafür ist der Schnitt jedoch einfacher als beim Buschbaum.
4. Spindeln zu erziehen ist einfach. Stell Dir im Kopf einfach vor es wäre eine Tanne. Also flache leicht nach oben zeigende Zweige, wobei die unteren länger sind als die oberen.
http://www.baumkunde.de/Abies_cephalonica/Habitus/
Natürlich bei weitem nicht so dicht denn der Baum braucht sehr viel Licht.
5. Die unteren Äste sind natürlich nicht zu tief am Boden, wie ich es ursprünglich gesagt habe. Ich hatte das Bild in der Vergrößerung angesehen und nicht gesehen, dass der Stamm unten weiter geht
Dennoch bilden Obstbäume auch nach unten gehende Fruchtzweige an den Leitästen. Hier besteht dann die Gefahr, dass einige Äpfel bis runter zum Boden gehen, was natürlich nicht sein sollte.
Dennoch kannst du ihn lassen, gerade dann wenn du eine Spindelerziehung anstrebst.
Jedoch muss einer der beiden sich gabelnden Äste ganz weg oder alternativ in eine andere Richtung gebunden werden. z.b. einer zeigt nach Westen, den anderen bindet man Richtung Süden. Hierfür nimmst du ein Haolstück als Bodenancker und indest mit einer nicht zu dünnen Schnut den Ast in die richtige Richtung.
6. Die Äste können bei einer Buschbaumerziehung vom winkel her gesehen so bleiben wie sie sind. Bei einer Spindelerzieung müssen sie deutlich flacher stehen.
7. Die Äste sind zu lang. Wenigstens 1/3 sollten sie gekürzt werden eher mehr.
8. Achte beim einkürzen der Äste vornehmlich auch geeignete augen. Die Saftwaage spielt bei der Spindel eine eher untergeordnete Rolle, da alle Äste eher gleich flach sind.
Saftwaage heißt, das alle Äste einer Ebene ungefär in der gleichen Höhe ausgehend vom Boden beschnitten werden. Allerdings ist der Sinn der Saftwaage umstritten. Ich persönlich achte lieber auf geeignete Augen beim Einkürzen der Zweige.
9. Kürze den Stamm so ein, dass er zu den gekürzsten Zweigen ein Dreieck bildet.
Bei der Spindel ist der Winkel ausgehend vom Stamm sehr klein ca. 30 Grad, Während er beim Buschbaum eher bei 120 Grad liegt.
Die Kürzung des Stammes (Ableiten auf eine Stammverlängerung) ist deshalb hier besonders sinnvoll, weil sonst vermutlich auch hier der "Marsrakteneffekt" eintreten würde.
10. Die Optik spielt die entscheidenste Rolle.
Ich finde es toll, das dir das Wohl des Baumes wichtiger ist, als das was die Nachbarn oder Besucher über den Baum sagen.
Dennoch ist ein Baum der optisch gut geschnitten ist auch zugleich ertragreicher und besser.
Die Optik verlangt, dass der Baum relativ symetrisch ist und in alle Richtungen bei der Spindel gleich lange Äste hat und dass er nich nur außen sondern auch im Innern blüht und Früchte trägt und gernau das deckt sich auch mit einem ertragreichen und gesunden Baum.
11. Binden statt Ableiten
Auch wenn ich die Meinung von fruitfarmer immer mehr teile, das Ableiten sinnvoller ist, so ist das Binden für einen Einsteiger nunmal leichter und ziehlführender. Und manchmal auch fast der einzige Weg, weil die Augen nunmal nicht dort sind wo man sie eben gerade bräuchte.