Jahreszeiten-Gedichte

  • @Eisenkraut,
    für mich steht der Begriff "Seelchen" für etwas noch sehr Verwundbares, noch in der Entfaltung begriffen:
    also möche ich sagen: für den langsam erwachenden Frühling im immer noch Winter.
    Würde es auch in Zusammenhang mit dem "zirpt" sehen, den kleinen, leisen Tönen.....

    LG
    von der wilden Gärtnerin
     
  • Dazu gibt es einen ganz interessanten Aufsatz; muss mal schauen, ob ich ihn nach all den Jahren wieder finde....
     
  • Vornehme Leute, 1.200 Meter hoch

    Sie sitzen in den Grandhotels.
    Ringsrum sind Eis und Schnee.
    Ringsrum sind Berg und Wald und Fels.
    Sie sitzen in den Grandhotels
    und trinken immer Tee.

    Sie haben ihren Smoking an.
    Im Walde klirrt der Frost.
    Ein kleines Reh hüpft durch den Tann.
    Sie haben ihren Smoking an
    und lauern auf die Post.

    Sie tanzen Blues im Blauen Saal,
    wobei es draußen schneit.
    Es blitzt und donnert manches Mal.
    Sie tanzen Blues im Blauen Saal
    und haben keine Zeit.

    Sie schwärmen sehr für die Natur
    und heben den Verkehr.
    Sie schwärmen sehr für die Natur
    und kennen die Umgebung nur
    von Ansichtskarten her.

    Sie sitzen in den Grandhotels
    und sprechen viel von Sport.
    Und einmal treten sie, im Pelz,
    sogar vors Tor der Grandhotels -
    und fahren wieder fort.

    Erich Kästner

    (Ich wusste doch immer, dass ich noch eins habe ... musste immer an das Reh denken.)
     
    Leonarda,

    ich "liebe" dieses Sonett von Gryphius und etliche andere von ihm auch wegen der eindringlichen Bildlichkeit:
    Aber, es hat für mich jetzt nichts mit "Jahreszeit-Gedichten" zu tun....

    Der Kästner dagegen sehr, auch wenns heuer nicht so hingehauen haben dürfte mit diesem Leben;-)
     
    Dann mache ich, als bekennender Erich Kästner - Fan mal weiter mit einem Gedicht von ihm:

    Frühling auf Vorschuss:

    Im Grünen ist’s noch gar nicht grün.
    Das Gras steht ungekämmt im Wald,
    als sei es tausend Jahre alt.
    Hier also, denkt man, sollen bald
    die Glockenblumen blüh‘n?

    Die Blätter sind im Dienst ergraut
    und rascheln dort und rascheln hier,
    als raschle Butterbrotpapier.
    Der Wind spielt über’m Wald Klavier,
    mal leise und mal laut.

    Doch wer das Leben kennt, der kennt’s.
    Und sicher wird’s in diesem Jahr
    so, wie’s in andern Jahren war.
    Im Walde sitzt ein Ehepaar
    und wartet auf den Lenz.

    Man soll die beiden drum nicht schelten,
    sie lieben die Natur
    und sitzen gern in Wald und Flur.
    Man kann’s ganz gut verstehen, nur:
    Sie werden sich erkälten!
     
  • Die Wälder schweigen

    (Erich Kästner)


    Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
    Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt.
    Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder.
    Man zählt die Tage. Und man zählt die Gelder.
    Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt.


    Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen.
    Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.
    Man träumt von Äckern und von Pferdeställen.
    Man träumt von grünen Teichen und Forellen.
    Und möchte in die Stille zu Besuch.


    Man flieht aus den Büros und den Fabriken.
    Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund!
    Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken
    und wo die Spinnen seidne Strümpfe stricken,
    wird man gesund.


    Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
    Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
    und tauscht bei ihnen seine Seele um.
    Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
    Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.
     

  • Vor dem Sommerregen

    Rainer Maria Rilke

    Auf einmal ist aus allem Grün im Park
    man weiß nicht was, ein Etwas, fortgenommen;
    man fühlt ihn näher an die Fenster kommen
    und schweigsam sein. Inständig nur und stark

    ertönt aus dem Gehölz der Regenpfeifer,
    man denkt an einen Hieronymus:
    so sehr steigt irgend Einsamkeit und Eifer
    aus dieser einen Stimme, die der Guß

    erhören wird. Des Saales Wände sind
    mit ihren Bildern von uns fortgetreten,
    als dürften sie nicht hören was wir sagen.

    Es spiegeln die verblichenen Tapeten
    das ungewisse Licht von Nachmittagen,
    in denen man sich fürchtete als Kind.

     
    Herbstbild

    Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
    Die Luft ist still, als atmete man kaum,
    Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
    Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

    O stört sie nicht, die Feier der Natur!
    Dies ist die Lese, die sie selber hält,
    Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
    Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.


    Christian Friedrich Hebbel (1813-1863)
     
    Winter

    Der Winter ist ein rechter Mann,
    Kernfest und auf die Dauer;
    Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an
    Und scheut nicht Süß noch Sauer.

    Er zieht sein Hemd im Freien an
    Und läßt′s vorher nicht wärmen,
    Und spottet über Fluß im Zahn
    Und Kolik in Gedärmen.

    Aus Blumen und aus Vogelsang
    Weiß er sich nichts zu machen,
    Haßt warmen Drang und warmen Klang
    Und alle warmen Sachen.

    Doch wenn die Füchse bellen sehr,
    Wenn′s Holz im Ofen knittert,
    Und an dem Ofen Knecht und Herr
    Die Hände reibt und zittert;

    Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
    Und Teich und Seen krachen,
    Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
    Dann will er sich totlachen. -

    Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
    Beim Nordpol an dem Strande;
    Doch hat er auch ein Sommerhaus
    Im lieben Schweizerlande.

    Da ist er denn bald dort, bald hier,
    Gut Regiment zu führen.
    Und wenn er durchzieht, stehen wir
    Und sehn ihn an und frieren.

    (Matthias Claudius)
     
    Sehnsucht nach dem Frühling
    O wie ist es kalt geworden
    und so traurig, öd' und leer!
    Rauhe Winde wehn von Norden,
    und die Sonne scheint nicht mehr.

    Auf die Berge möcht' ich fliegen,
    möchte sehn ein grünes Tal,
    möcht' in Gras und Blumen liegen
    und mich freun am Sonnenstrahl.

    Möchte hören die Schalmeien
    und der Herden Glockenklang,
    möchte freuen mich im Freien
    an der Vögel süßem Sang.

    Schöner Frühling, komm doch wieder,
    lieber Frühling, komm doch bald,
    bring uns Blumen, Laub und Lieder,
    schmücke wieder Feld und Wald!

    Heinrich Hoffmann von Fallersleben

    (Ich würde auch gerne vollschalmeit, stattdessen friere ich mir auf dem Radl die Griffel ab).
     
    Rauhreif

    Etwas aus den nebelsatten

    Lüften löste sich und wuchs

    über Nacht als weißer Schatten

    eng um Tanne, Baum und Buchs.



    Und erglänzte wie das Weiche

    Weiße, das aus Wolken fällt,

    und erlöste stumm in bleiche

    Schönheit eine dunkle Welt.

    (Gottfried Benn)


    Passt genau zum heutigen Morgen, allerdings inzwischen mit Glitzer-Schönheit.
     
    Ein heisser Tip, dafür gibt es Handschuhe,der Sportscheck verkauft sie sogar.
    Lieber Poldstetten, ich besitze Handschuhe in allen Varianten und sämtlichen Preisklassen und bin seit Jahrzehnten auf der Suche nach dem idealen Paar. Vergeblich, nach einer Weile hab ich immer kalte Finger.
     
    Zuletzt bearbeitet:
    Den Sport scheck gibt es in MUC seit 5 Jahren nicht mehr (ich bin vor 25 Jahren aus MUC weggezogen, weil ich ein Haus mit einem größeren Garten haben wollte)
    Aber es gibt el. beheizbare Handschuhe. Ich hatte während meiner aktiven ÖJV Zeit beheizte Socken , war aber nicht damit zufrieden. Passiver Kälteschutz war besser.
    Für die Hände hatte mir meine Tochter einen Muff aus Teddystoff genäht das war ganz effektiv.
    Frohe Festtage wünscht Dir
    dein Poldstetten
     
    Den Sport scheck gibt es in MUC seit 5 Jahren nicht mehr

    Doch, den gibt es noch. Leider hatte er bei meinem letzten Besuch nicht die passende Regenhose.

    Winter
    Wenn sich das Laub auf Ebnen weit verloren,
    So fällt das Weiß herunter auf die Tale,
    Doch glänzend ist der Tag vom hohen Sonnenstrahle,
    Es glänzt das Fest den Städten aus den Toren.

    Es ist die Ruhe der Natur, des Feldes Schweigen
    Ist wie des Menschen Geistigkeit, und höher zeigen
    Die Unterschiede sich, dass sich zu hohem Bilde
    Sich zeiget die Natur, statt mit des Frühlings Milde.


    Friedrich Hölderlin
     
    Zuletzt bearbeitet:
  • Zurück
    Oben Unten