Reisen

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08. Apr. 2006
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Hallo Forum!

Den Toren packt die Reisewut,
indes im Bett die Weise ruht.


Tja, liebe "Lazy", liebe Ruhende, der Tor macht auf Deinen Wunsch hin einen Reisethread auf ...

Ich war in den zurückliegenden vier Wochen an vier verschiedenen Zielen. Alles begann mit einer Fahrt in die Provence, genauer, nach Saint Rémy de Provence. Die Provence im Mai! Ein Traum.

Leider trug ich ein Virus in mir, gegen das selbst die provencalische Sonne machtlos war, also brachen wir die Tour vorzeitig ab.

Wieder in der sonnenlosen Heimat leistete ein Antibiotikum gute Dienste, so dass die Reiselust rasch erneut aufkam. Leider zahlen Krankenkassen keine Ausflüge auf Zauberberge mehr, also las ich hustend und ersatzweise mal wieder die Erlebnisse des Hans Castorp, bis es mich zu sehr anstrengte, und ich zu Erich Kästners leichterer Kost, "Drei Männer im Schnee", wechselte.

Wer das Buch kennt weiß, dass bevor die eigentliche Geschichte (Film!) beginnt eine gewisse Elfriede auftaucht, die nur einen Mann heiratet, der den Bamberger Reiter kennt. Das gab mir zu denken, denn ich kannte vor gut zwei Wochen den Reiter auch noch nicht persönlich. Was, wenn in den meisten Frauen eine "Elfriede" steckt? Ich beschloss also, meine Chancen bei der Damenwelt dramatisch zu verbessern und brach gen Bamberg auf.

Der Bamberger Reiter stellt bekanntlich mit absoluter Sicherheit Stephan-von-Ungarn-Heinrich-II-den-Heiligen-Georg-Constantin-den-Großen-den-Endkaiser-Friedrich-II-Jesus-Christus dar.

Bamberg ist UNESCO-Welterbe, wahrscheinlich samt der Blauen Zipfel (lecker), des Rauchbieres (hier schweigt die Höflichkeit fremden Kulturen gegenüber) und des ALDI-Marktes in der Memmelsdorfer Straße 145.

Sehr sehenswerte Stadt voller netter Franken.

Ok, nun war ich also in Frankreich und in Franken gewesen, es lag also nahe, nach Frankfurt zu reisen. Stattdessen ging es auf Einladung eines Freundes nach Helsinki.

Ja, ja, nicht die logische Wahl, der deutschen Kälte zu entfliehen, aber ein geschenkter Gaul.

Helsinki war sonnig und 12 Grad warm. Und voller Finnen, die furchtbar viele Umlaute pro Sekunde sprechen konnten. Wörter wie käyttäytymistieteellinen, maatalous-metsätieteellinen, eläinlääketieteellinen. Zum Glück ist die Stadt weitgehend zweisprachig gestaltet. Schwedisch verstehe ich zwar auch nicht, die Wörter sehen aber weniger furchteinflößend aus.

Am zweiten Tag unserer Reise waren alle Finnen die es gibt - und, da das nicht so viele sind, wohl zusätzlich einige Verkleidete aus umliegenden Staaten - auf dem Marktplatz Helsinkis versammelt. Lordi traten auf und wir konnten in Ruhe die leere Stadt erkunden. Am nächsten Tag per Boot, alles wunderschön. Der Dom enttäuscht aber von innen. Nicht nur, dass es keinen Reiter, kein Papstgrab und keinen auch noch so kleinen von Riemenschneider bearbeiteten Stein gab, das Ding ist nichtmal katholisch.

Vier Tage braucht man für Helsinki. Maximal. Aber die lohnen sich.

Zurück aus Helsinki. Statt sonnigen 12 °C gab es regnerische 8 Grad mit der Drohung, dass die Schneefallgrenze am kommenden Tag bedrohlich nahe kommen sollte. Die Entscheidung fiel schnell: Reisetasche neu packen und sofort nach Süden. Wohin war erstmal egal, Hauptsache, der Schneefallgrenze entrinnen.

Problem: ER hat bei der Erschaffung Europas dumme Berge in den Weg gelegt. Im DRS lernte ich das Wort "Felssturz" (mit dem nett gesprochenen "r") kennen und hassen. Statt Gotthard also Bernadino. Toll, da musste mich die Schneefallgrenze ja einholen. Immerhin lohnte sich die Vignette, 2006 in einem sehr stilvollen Rotton gehalten. Vier Stunden warten, davon zwei in einem Tunnel. Kostete nichtmal extra.

Dann ging es aber fix zum Comer See. Traumhaftes Castello, Zimmer mit riesigem Steinbalkon in einer Villa, alles zum Internet-Last-Minute-Schnäppchenpreis, billiger als die drei Sterne in Bamberg. Sonnig, warm, Lago, Palazzi und Villi ... äh ... Villen und

GÄRTEN

Wunderschöne Gärten und Parks. Den ein oder anderen hätte ich gerne mit nach Hause genommen.

Dann ging es weiter, Lago Maggiore. Borromäische Inseln. Alles blüht, wächst gedeiht. Mein Fotoapparat wird fast zur Kamera, mindestens 20 Bilder/Minute. Na ja, sagen wir fünf. Dann Simplon, Genfer See, Fribourg, Bern, Basel ... Heimat.

Hier regnet es gerade. 11 Grad inzwischen. Dunkel. Im Garten ist es immerhin schön grün. Blüten leiden. Antiborromäische Zustände. Und übermorgen ist auch noch der Urlaub zuende.

Schöne Pfingsten!
-John
 
  • Wow, beneidenswert! Schön das es Dir in Franken so gut gefallen hat, es
    gehörte übrigens in früher Zeit mal zu Frankreich! Ist aber sehr lang' her.
    Daher kommt wahrscheinlich auch unser überaus entwickelter Sinn für
    (Eß/Trink-)Kultur
    c027.gif
    .
    Du mußt mal wiederkommen, wenn in Franken Karpfensaison ist, da kommste
    fast nimmer an den Gasthöfen vorbei, ohne einen reinzuschlingen.


    Schön übrigens,daß Du uns die Sonne wiedergebracht hast ;) .

    Gruß

    Wolfo
     
    Zuletzt bearbeitet:
    Kompliment, flotte Schreibe!

    Hallo Mr. Robie,

    da hat sich meine Neugier aber gelohnt. Liest sich schön + frisch! Danke.
    Lese ich mir sehr gerne nochmal durch, lieber als den Zauberberg...

    Enteile aber erst 'mal Richtung Fernseher - jetzt fängt Mankells Wallander an, hoffentlich ist die zweite Folge besser als die erste.
    See you soon.
     
  • Hi Bolban!

    Du mußt mal wiederkommen, wenn in Franken Karpfensaison ist, da kommste
    fast nimmer an den Gasthöfen vorbei, ohne einen reinzuschlingen.

    Ich habe mal zwei Jahre in Thüringen verbracht. Wunderbare Gegend, wunderbare Menschen. ABER: Die hielten mich dort für einen Banausen, weil ich die Augen des Karpfens verschmähte. Wie halten es die Franken?

    Was den Besuch angeht, so komme ich ja ohnehin im Sommer nach Nürnberg. Wann ist denn Karpfenzeit? September?


    Schön übrigens, daß Du uns die Sonne wiedergebracht hast

    Zu irgendetwas muss ich ja nütze sein.

    Viele Grüße
    -John
     
  • John Robie schrieb:
    Ich habe mal zwei Jahre in Thüringen verbracht. Wunderbare Gegend, wunderbare Menschen. ABER: Die hielten mich dort für einen Banausen, weil ich die Augen des Karpfens verschmähte. Wie halten es die Franken?
    Was den Besuch angeht, so komme ich ja ohnehin im Sommer nach Nürnberg. Wann ist denn Karpfenzeit? September?
    ....die Augen??? Ne, also sowas hab' ich noch nie gehört! Aber man ißt die Bäckchen, die
    sind ja auch echt schön zart. Vielleicht hast Du das bei den Thüringern nur falsch
    verstanden und die aßen auch die Bäckchen (ist ja nur einen Zentimeter weiter rechts)?
    Karpfenzeit ist in allen Monaten mit "r", "September" ist also richtig.
    c014.gif


    Ich hoffe ich bin daheim, wenn Du mein Werk besichtigen kommst.

    Viele Grüße

    Wolfi
     
    Wie geht Karpfen auf fränkisch?

    ... Karpfen, Bäckchen, Augen - hört sich an wie Fishhead Curry.

    Mein Vater war Schlesier und wir mußten Weihnachten immer Karpfen essen, Schwabbel mit Gräten, der am Bauch nach Modder schmeckt. Dazu diese grauenhafte, süße polnisch / sächsische Lebkuchensauce.
    Ich mag ihn erst wieder seit kurzem, mehliert, gut gesalzen, in Butter scharf gebaten, gerne zu saurem Kraut, weil er ja so fett ist. In homöopathischen Dosen.
    Doch noch lieber mag ich und mache selbst schlesische Kalbsweißwurst mit Orangenschale. Die brüh' ich dann wie blaue Zipfel.

    Wie macht Ihr den Karpfen in Franken?
     
  • Hi,
    das weiss ich selber net so genau, da gibt's viele Rezepte, wie man ihn so schön
    kross hinkriegt. Auf jeden Fall schmeckt er absolut nicht modrig und ist auch
    nicht schwabbelig wie in Schlesien. Ich habe im Winter mal versucht einen frischen
    Karpfen so zu backen, wie er in jedem fränkischen Gasthof erhältlich ist.
    Karpfen waschen, der Länge nach halbieren, gut salzen und etwas mit Zitrone befeuchten.
    Dann von allen Seiten 1x mit doppelgriffigem Mehl "mehlieren" und kurz in Dunkelbier tauchen, danach wieder in's d-griffige Mehl und ab in's Butterschmalz. So habe ich das gemacht und es ging schon ziemlich eindeutig in Richtung "Gasthofgeschmack".
    Du kannst Dir ja mal diese Seite anschauen, da findet man viele Rezepte. Ich habe mich
    da schlau gelesen.

    http://ww w.chefkoch.de/forum/1,56/Fisch-Meeresfruechte.html
    http://ww w.chefkoch.de/forum/2,56,141264/forum.html

    Im Moment ist es da aber nicht möglich das Karpfenrezept per Suchfunktion zu finden,
    da der Server überlastet ist. Es ist aber definitiv vorhanden.

    Gutes Gelingen....

    Wolfo
     
    Zuletzt bearbeitet:
    Hi Bolban!

    Ich hoffe ich bin daheim, wenn Du mein Werk besichtigen kommst.

    Das wollte ich schon vorher mit Dir abstimmen. ;)

    Und: Es waren die Augen. Hab' mal im Internet gesucht, und diesen Satz gefunden:
    Noch heute kommen im ländlichen Thüringen hin und wieder gekochte Karpfen-Augen auf den Tisch.

    Lieben Gruß
    -John
     
    Ach Du dicker Vater! Nein, da bist Du bei uns in Franken auf der richtigen Seite...
    Bäckchen only!!

    Gruß
     
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