Unter den Besitzern eines der ersten Folienhäuser befand sich einer meiner Bekannten. Zwei Jahrzehnte lang waren wir Arbeitskollegen. Ich machte mich 1978 selbständig und gründete eine kleine Baufirma, er hielt dem Betrieb als Schlossermeister die Treue.
Eines Tages trafen wir uns, und er erzählte von seinem Tomatenanbau.
Gleich am nächsten Tag besuchte ich ihn. Staunend stand ich in seinem 20 x 6 m großen Folienhaus. Es war gerade Anfang März 1981 und seine ersten roten Tomaten grinsten mich an. Ich sah in Gedanken meine 20 für das Freiland zu Haus gezogenen zarten Pflänzchen, die gerade ihre ersten zwei Keimblätter waagerecht aufgestellt hatten. In diesem Moment war mir klar, dass ich auf diesen Zug aufspringen muss und mich im kommenden Jahr von meinen Freilandtomaten verabschieden werde.
Er gab mir viele Tipps und versprach, mir bei den Schlosser- und Schweißarbeiten zu helfen. Ich wurde kribbelig und fing zwei Tage später zu rotieren an. Alle Büchereien klapperte ich vergeblich in der Stadt und in der Umgebung nach Literatur ab. Schließlich bekam ich in Berlin ein Buch über Produktionsverfahren von Gemüse unter Glas und Plaste. Einige Tage beschäftigte ich mich mit dem Thema „Tomate“, machte mir Notizen und entwarf Skizzen und Pflanzpläne.
Im Juli bekam ich von meinem ehemaligen Betrieb meine Rohre gegen Schrottumtausch, ohne dafür einen einzigen Pfennig bezahlen zu müssen. Zu meinem Pech waren es einfache Stahlrohre, mit einem Durchmesser von nur 22 mm. Mit diesem dünnen Material konnte ich mir mein Gewächshaus von 20 x 6 m abschminken.
Ich einigte mich mit meiner Frau dahin gehend, dass wir im ersten Jahr Erfahrungen sammeln und uns mit einem Provisorium von 10 x 4 m begnügen wollten. Mein Bekannter organisierte in seinem Dorf die Rohrbiegung, ich rannte mir vergeblich nach Schweißelektroden die Hacken ab. Schließlich rationalisierte mein Bekannter (sprich: „klaute“) zwei Pakete aus seinem Betrieb weg.
Ende August hatten wir endlich das Gerüst stehen und meine Familie begann den Pinsel mit Rostschutzfarbe zu schwingen. Für mich begann die Jagd nach einer Warmwasserheizung. Auch wenn ich mit meiner Firma schon etliche private Handwerksmeister bei ihren Bauvorhaben geholfen hatte, konnte mir keiner eine beschaffen. Alle Heizungsfirmen bekamen nur Objekt bezogen ihre Heizungen zugeteilt.
Ich musste musste erneut einen Kompromiss eingehen. Von einer PGH - Ofenbau (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) bekam ich einen gebrauchten Heißluftofeneinsatz.
Nun begann die Rennerei nach der Gewächshausfolie. Auch wenn wir in Premnitz ein Chemiefaserwerk vor der Haustür stehen hatten wo diese Folie hergestellt wurde, so war sie weder in Potsdam noch in Brandenburg Havel zu bekommen. Alle Bekannten und Verwandten schickte ich in die Spur. Auch meine Frau streckte ihre Fühler aus. Sie war Verkaufstellenleiterin eines kleinen HO – Lebensmittelgeschäfts. Sie erinnerte sich an eine ehemalige Kollegin, die nach Werder eingeheiratet hatte und im dortigen Konsum-Kaufhaus arbeitete.
Anfang Dezember rief diese Kollegin bei meiner Frau an und teilte ihr mit, dass sie Folie bekommen hätten und der Verkauf morgen Früh beginne. Ich also halb in der Nacht auf nach Werder. Als ich kurz nach fünf Uhr ankam, dachte ich, mich laust ein Nilpferd. Ich zählte bereits 14 Leute in der Schlange. Vor der Eingangstür saßen drei eisenharte Typen auf ihren mitgebrachten Angelhockern und dreschten auf einer Gemüsekiste Skat. Es war hundekalt und geöffnet wurde erst um 9 Uhr. So nach und nach fanden sich hinter mir immer mehr Leute ein, die ebenfalls von der Folie Wind bekommen hatten. Mit Lockerungsübungen und Trampelbewegungen auf der Stelle, mit Flüchen, Witzen und dummen Sprüchen versuchten wir die Zeit totzuschlagen. Um 9 Uhr 45 war ich endlich glücklicher Besitzer dieses heiß umworbenen Artikels.
Im Januar schweißten wir, mit einem abgesägten Lötkolbenkopf, in einer warmen Lagerhalle die Folienbahnen stückweise zusammen. Meine Frau hatte in Blumenkästen ‚Harzfeuer’ ausgesät. Die 150 Pflanzen entwickelten sich in unserer Veranda prächtig. Mitte Februar zeigten sie ihre ersten Blüten und es wurde Zeit sie auszupflanzen. Der Wettergott war jedoch nicht gut auf uns zu sprechen. Er hatte uns zwar über die Weihnachtsfeiertage schon mit einer 15 cm dicken Schneedecke beschert, doch hätten wir gern im Januar und Februar auf seine Frosttage verzichtet. Der Erdboden war schon über einen halben Meter tief gefroren und das Ende des Winters war nicht abzusehen.
Wir warteten auf einen Sonnentag und zogen schnell die Folie über. Ich hatte mir 2 to Braunkohlenbriketts anfahren lassen und begann mit der Probeheizung. Nach einer Stunde musste ich die Zelttüren aufreißen. Zum schneiden dick zogen die Abgase durchs Zelt. Der Ofeneinsatz qualmte aus allen Fugen. Ich hin zur PGH. Die hatte aber nur Lehm auf Lager. Am nächsten Tag fuhr ich mit einem Päckchen Kaffe in meinen ehemaligen Betrieb. Nach einem Schwätzchen bekam ich meinen Schamottemörtel und eine Büchse feuerfesten Ofenkitt.
Nach der Reparatur lief alles seinen sozialistischen Gang. Das Zelt erwärmte sich schnell und die Innenluft blieb einigermaßen Abgasfrei. Die Sache hatte jedoch zwei Haken. Die erwärmte Folie hing plötzlich zwischen den Rohrfeldern wie ein Lämmerschwanz durch und musste komplett nachgespannt werden. Mindestens vier Mann waren dazu notwendig. Das war aber das kleinste Übel. Viel schlimmer waren die minderwertigen Briketts. Die stark schwefelhaltige Kohle erzeugte viel Schlacke, die laufend aus dem Ofen entfernt werden musste. Noch ärgerlicher war, dass die Briketts schnell auseinander fielen und somit keine Glut halten konnten. Alle drei Stunden mussten wir vorsichtig entschlacken und nachlegen.
Am ersten Tag legte ich eine Nachtschicht ein. Morgens war ich zwar hundemüde, aber der Boden war 2 cm aufgetaut. In der zweiten Nacht klingelte der Wecker und ich war zu faul aufzustehen. Morgens war der Boden wieder genau so gefroren, wie tags zuvor. Wir hatten bereits Anfang März und die ersten Pflanzen bekamen ihre zweiten Blütenstände. Die Havel und Seen waren noch immer mit einer Eisdecke bedeckt. Vierzehn Tage heizten wir rund um die Uhr. Eine Nacht ich, die nächste meine Frau. Neben dem Ofen hatten wir unseren Stuhl und einen kleinen Campingtisch stehen. Ein Kofferradio hielt uns bei Laune. Meine Frau fing des Nachts mit dem Stricken an, ich hörte ab der vierten Nacht Musik und soff ein Bier nach dem anderen. Wurden wir müde, machten wir am Ofen unser Nickerchen. Wenn die Temperatur abnahm und es uns zu kalt wurde, wachten wir von allein auf und legten wieder nach.
Endlich hatten wir es geschafft. Der Boden war 30 cm aufgetaut und oberhalb einigermaßen gut durchgewärmt, weiter unten war er noch gefroren. Durch meine Beschäftigten ließ ich die Pflanzfläche umgraben und Rindermist einarbeiten.
Am 28. März, es war ein Sonnabend, pflanzten wir 100 Harzfeuer. Von den 50 übrig gebliebenen suchten wir die zehn mickrigsten aus und pflanzten sie in größere Töpfe um. Sie sollten im Mai ins Freiland kommen. Um sie bis dahin nicht zu groß werden zu lassen, drosselten wir in der Veranda die Temperatur. Die anderen Pflanzen landeten auf den Kompost.
Da der Brennstoffvorrat fast aufgebraucht war, ließ ich eine weitere Tonne Briketts und eine ½ Tonne Koks kommen. Um den Ofen nicht kaputt zu heizen, konnten wir nur zwei kleine Schaufeln Koks auf die Kohlen legen. Von 22 bis 6 Uhr brauchten wir nun wenigstens nicht mehr zu heizen.
Auch wenn der gesamte April ungewöhnlich kalt ausfiel, entwickelten sich die Pflanzen prächtig. Ende April waren die untersten Blütenstände voll mit grünen Früchten behangen. Von einem prächtigen Gewinn hatten wir uns bereits verabschiedet und hofften wenigstens noch die Kosten für Energie und Heizstoffe herein zu bekommen. Wir machten jedoch die Rechnung ohne den Wettergott. Anfang Mai zeigte er uns erneut den Daumen und schlug wieder zu. Wir saßen abends vor der Glotze und langsam begann es auf der Mattscheibe zu rieseln. Bild und Ton wurden immer miserabler. Plötzlich sagte meine Frau, ich solle doch mal auf die Terrasse schauen. Ich dachte mich tritt ein Pferd, es schneite. Die Terrassenplatten waren bereits mit einer Grieselschicht überzogen. Nun wussten wir, weshalb unser Bild so mies war. Der aufgekommene Wind spielte mit den Koniferen. Ein Blick auf das an der äußeren Fensterleibung hängende Thermometer zeigte mir 1° Minus an. Ich zog mich an und bat um Nachbarschaftshilfe.
Mit Karl stellte ich die acht Meter lange Bauleiter an den Antennenmast. Ich fegte den Schnee von der Antenne und fummelte an das Koaxialkabel herum, bis meine Frau rief, dass das Bild wieder in Ordnung sei. Um 23 Uhr hatten wir 2° Minus. Vorsichtshalber ging ich noch einmal zum Zelt. Ich knallte den Ofen bis zum Stehkragen voll und ging anschließend zu Bett. Morgens galt mein erster Blick der Terrasse. Beruhigt sah ich, dass es in der Nacht nicht weiter geschneit hatte. Während meine Frau das Frühstück vorbereitete, wollte ich noch schnell heizen gehen.
Ich kam um den Hausgiebel und erlitt einen Schock. Wo noch vor wenigen Stunden das Zelt stand, sah ich nur noch einen Trümmerhaufen. Die schwere „Harzer Holzleiter“ hatte sich durch den Wind vom Antennenmast gelöst und war der Länge nach auf das Zelt geknallt. Sechs Meter Gestell waren zusammengebrochen. Im Bereich des Ofens klaffte ein riesiges Loch und die Folienfetzen flatterten traurig im Wind. Lediglich vier Felder am hinteren Nordeingang waren verschont geblieben. Ich öffnete die Tür und wollte retten was noch zu retten war.
Fassungslos sah ich an den Schnüren die Pflanzen wie Trauerweiden hängen. Nicht eine einzige hatte die Frostnacht überlebt. Die Vorwürfe und Flüche meiner Frau werde ich besser nicht erwähnen. Unser Traum, von einer reichen Tomatenernte, war wie eine Seifenblase geplatzt und wir mussten uns vier Wochen später mit den 10 Feilandpflanzen begnügen. Trotz aller Pleiten, Pech und Pannen hatte ich mir fest vorgenommen, für das nächste Jahr einen neuen Versuch zu starten. Der Kamerad Zufall kam mir dabei zu Hilfe.
Gruß Paulus
Eines Tages trafen wir uns, und er erzählte von seinem Tomatenanbau.
Gleich am nächsten Tag besuchte ich ihn. Staunend stand ich in seinem 20 x 6 m großen Folienhaus. Es war gerade Anfang März 1981 und seine ersten roten Tomaten grinsten mich an. Ich sah in Gedanken meine 20 für das Freiland zu Haus gezogenen zarten Pflänzchen, die gerade ihre ersten zwei Keimblätter waagerecht aufgestellt hatten. In diesem Moment war mir klar, dass ich auf diesen Zug aufspringen muss und mich im kommenden Jahr von meinen Freilandtomaten verabschieden werde.
Er gab mir viele Tipps und versprach, mir bei den Schlosser- und Schweißarbeiten zu helfen. Ich wurde kribbelig und fing zwei Tage später zu rotieren an. Alle Büchereien klapperte ich vergeblich in der Stadt und in der Umgebung nach Literatur ab. Schließlich bekam ich in Berlin ein Buch über Produktionsverfahren von Gemüse unter Glas und Plaste. Einige Tage beschäftigte ich mich mit dem Thema „Tomate“, machte mir Notizen und entwarf Skizzen und Pflanzpläne.
Im Juli bekam ich von meinem ehemaligen Betrieb meine Rohre gegen Schrottumtausch, ohne dafür einen einzigen Pfennig bezahlen zu müssen. Zu meinem Pech waren es einfache Stahlrohre, mit einem Durchmesser von nur 22 mm. Mit diesem dünnen Material konnte ich mir mein Gewächshaus von 20 x 6 m abschminken.
Ich einigte mich mit meiner Frau dahin gehend, dass wir im ersten Jahr Erfahrungen sammeln und uns mit einem Provisorium von 10 x 4 m begnügen wollten. Mein Bekannter organisierte in seinem Dorf die Rohrbiegung, ich rannte mir vergeblich nach Schweißelektroden die Hacken ab. Schließlich rationalisierte mein Bekannter (sprich: „klaute“) zwei Pakete aus seinem Betrieb weg.
Ende August hatten wir endlich das Gerüst stehen und meine Familie begann den Pinsel mit Rostschutzfarbe zu schwingen. Für mich begann die Jagd nach einer Warmwasserheizung. Auch wenn ich mit meiner Firma schon etliche private Handwerksmeister bei ihren Bauvorhaben geholfen hatte, konnte mir keiner eine beschaffen. Alle Heizungsfirmen bekamen nur Objekt bezogen ihre Heizungen zugeteilt.
Ich musste musste erneut einen Kompromiss eingehen. Von einer PGH - Ofenbau (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) bekam ich einen gebrauchten Heißluftofeneinsatz.
Nun begann die Rennerei nach der Gewächshausfolie. Auch wenn wir in Premnitz ein Chemiefaserwerk vor der Haustür stehen hatten wo diese Folie hergestellt wurde, so war sie weder in Potsdam noch in Brandenburg Havel zu bekommen. Alle Bekannten und Verwandten schickte ich in die Spur. Auch meine Frau streckte ihre Fühler aus. Sie war Verkaufstellenleiterin eines kleinen HO – Lebensmittelgeschäfts. Sie erinnerte sich an eine ehemalige Kollegin, die nach Werder eingeheiratet hatte und im dortigen Konsum-Kaufhaus arbeitete.
Anfang Dezember rief diese Kollegin bei meiner Frau an und teilte ihr mit, dass sie Folie bekommen hätten und der Verkauf morgen Früh beginne. Ich also halb in der Nacht auf nach Werder. Als ich kurz nach fünf Uhr ankam, dachte ich, mich laust ein Nilpferd. Ich zählte bereits 14 Leute in der Schlange. Vor der Eingangstür saßen drei eisenharte Typen auf ihren mitgebrachten Angelhockern und dreschten auf einer Gemüsekiste Skat. Es war hundekalt und geöffnet wurde erst um 9 Uhr. So nach und nach fanden sich hinter mir immer mehr Leute ein, die ebenfalls von der Folie Wind bekommen hatten. Mit Lockerungsübungen und Trampelbewegungen auf der Stelle, mit Flüchen, Witzen und dummen Sprüchen versuchten wir die Zeit totzuschlagen. Um 9 Uhr 45 war ich endlich glücklicher Besitzer dieses heiß umworbenen Artikels.
Im Januar schweißten wir, mit einem abgesägten Lötkolbenkopf, in einer warmen Lagerhalle die Folienbahnen stückweise zusammen. Meine Frau hatte in Blumenkästen ‚Harzfeuer’ ausgesät. Die 150 Pflanzen entwickelten sich in unserer Veranda prächtig. Mitte Februar zeigten sie ihre ersten Blüten und es wurde Zeit sie auszupflanzen. Der Wettergott war jedoch nicht gut auf uns zu sprechen. Er hatte uns zwar über die Weihnachtsfeiertage schon mit einer 15 cm dicken Schneedecke beschert, doch hätten wir gern im Januar und Februar auf seine Frosttage verzichtet. Der Erdboden war schon über einen halben Meter tief gefroren und das Ende des Winters war nicht abzusehen.
Wir warteten auf einen Sonnentag und zogen schnell die Folie über. Ich hatte mir 2 to Braunkohlenbriketts anfahren lassen und begann mit der Probeheizung. Nach einer Stunde musste ich die Zelttüren aufreißen. Zum schneiden dick zogen die Abgase durchs Zelt. Der Ofeneinsatz qualmte aus allen Fugen. Ich hin zur PGH. Die hatte aber nur Lehm auf Lager. Am nächsten Tag fuhr ich mit einem Päckchen Kaffe in meinen ehemaligen Betrieb. Nach einem Schwätzchen bekam ich meinen Schamottemörtel und eine Büchse feuerfesten Ofenkitt.
Nach der Reparatur lief alles seinen sozialistischen Gang. Das Zelt erwärmte sich schnell und die Innenluft blieb einigermaßen Abgasfrei. Die Sache hatte jedoch zwei Haken. Die erwärmte Folie hing plötzlich zwischen den Rohrfeldern wie ein Lämmerschwanz durch und musste komplett nachgespannt werden. Mindestens vier Mann waren dazu notwendig. Das war aber das kleinste Übel. Viel schlimmer waren die minderwertigen Briketts. Die stark schwefelhaltige Kohle erzeugte viel Schlacke, die laufend aus dem Ofen entfernt werden musste. Noch ärgerlicher war, dass die Briketts schnell auseinander fielen und somit keine Glut halten konnten. Alle drei Stunden mussten wir vorsichtig entschlacken und nachlegen.
Am ersten Tag legte ich eine Nachtschicht ein. Morgens war ich zwar hundemüde, aber der Boden war 2 cm aufgetaut. In der zweiten Nacht klingelte der Wecker und ich war zu faul aufzustehen. Morgens war der Boden wieder genau so gefroren, wie tags zuvor. Wir hatten bereits Anfang März und die ersten Pflanzen bekamen ihre zweiten Blütenstände. Die Havel und Seen waren noch immer mit einer Eisdecke bedeckt. Vierzehn Tage heizten wir rund um die Uhr. Eine Nacht ich, die nächste meine Frau. Neben dem Ofen hatten wir unseren Stuhl und einen kleinen Campingtisch stehen. Ein Kofferradio hielt uns bei Laune. Meine Frau fing des Nachts mit dem Stricken an, ich hörte ab der vierten Nacht Musik und soff ein Bier nach dem anderen. Wurden wir müde, machten wir am Ofen unser Nickerchen. Wenn die Temperatur abnahm und es uns zu kalt wurde, wachten wir von allein auf und legten wieder nach.
Endlich hatten wir es geschafft. Der Boden war 30 cm aufgetaut und oberhalb einigermaßen gut durchgewärmt, weiter unten war er noch gefroren. Durch meine Beschäftigten ließ ich die Pflanzfläche umgraben und Rindermist einarbeiten.
Am 28. März, es war ein Sonnabend, pflanzten wir 100 Harzfeuer. Von den 50 übrig gebliebenen suchten wir die zehn mickrigsten aus und pflanzten sie in größere Töpfe um. Sie sollten im Mai ins Freiland kommen. Um sie bis dahin nicht zu groß werden zu lassen, drosselten wir in der Veranda die Temperatur. Die anderen Pflanzen landeten auf den Kompost.
Da der Brennstoffvorrat fast aufgebraucht war, ließ ich eine weitere Tonne Briketts und eine ½ Tonne Koks kommen. Um den Ofen nicht kaputt zu heizen, konnten wir nur zwei kleine Schaufeln Koks auf die Kohlen legen. Von 22 bis 6 Uhr brauchten wir nun wenigstens nicht mehr zu heizen.
Auch wenn der gesamte April ungewöhnlich kalt ausfiel, entwickelten sich die Pflanzen prächtig. Ende April waren die untersten Blütenstände voll mit grünen Früchten behangen. Von einem prächtigen Gewinn hatten wir uns bereits verabschiedet und hofften wenigstens noch die Kosten für Energie und Heizstoffe herein zu bekommen. Wir machten jedoch die Rechnung ohne den Wettergott. Anfang Mai zeigte er uns erneut den Daumen und schlug wieder zu. Wir saßen abends vor der Glotze und langsam begann es auf der Mattscheibe zu rieseln. Bild und Ton wurden immer miserabler. Plötzlich sagte meine Frau, ich solle doch mal auf die Terrasse schauen. Ich dachte mich tritt ein Pferd, es schneite. Die Terrassenplatten waren bereits mit einer Grieselschicht überzogen. Nun wussten wir, weshalb unser Bild so mies war. Der aufgekommene Wind spielte mit den Koniferen. Ein Blick auf das an der äußeren Fensterleibung hängende Thermometer zeigte mir 1° Minus an. Ich zog mich an und bat um Nachbarschaftshilfe.
Mit Karl stellte ich die acht Meter lange Bauleiter an den Antennenmast. Ich fegte den Schnee von der Antenne und fummelte an das Koaxialkabel herum, bis meine Frau rief, dass das Bild wieder in Ordnung sei. Um 23 Uhr hatten wir 2° Minus. Vorsichtshalber ging ich noch einmal zum Zelt. Ich knallte den Ofen bis zum Stehkragen voll und ging anschließend zu Bett. Morgens galt mein erster Blick der Terrasse. Beruhigt sah ich, dass es in der Nacht nicht weiter geschneit hatte. Während meine Frau das Frühstück vorbereitete, wollte ich noch schnell heizen gehen.
Ich kam um den Hausgiebel und erlitt einen Schock. Wo noch vor wenigen Stunden das Zelt stand, sah ich nur noch einen Trümmerhaufen. Die schwere „Harzer Holzleiter“ hatte sich durch den Wind vom Antennenmast gelöst und war der Länge nach auf das Zelt geknallt. Sechs Meter Gestell waren zusammengebrochen. Im Bereich des Ofens klaffte ein riesiges Loch und die Folienfetzen flatterten traurig im Wind. Lediglich vier Felder am hinteren Nordeingang waren verschont geblieben. Ich öffnete die Tür und wollte retten was noch zu retten war.
Fassungslos sah ich an den Schnüren die Pflanzen wie Trauerweiden hängen. Nicht eine einzige hatte die Frostnacht überlebt. Die Vorwürfe und Flüche meiner Frau werde ich besser nicht erwähnen. Unser Traum, von einer reichen Tomatenernte, war wie eine Seifenblase geplatzt und wir mussten uns vier Wochen später mit den 10 Feilandpflanzen begnügen. Trotz aller Pleiten, Pech und Pannen hatte ich mir fest vorgenommen, für das nächste Jahr einen neuen Versuch zu starten. Der Kamerad Zufall kam mir dabei zu Hilfe.
Gruß Paulus
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