Instabile Neuzüchtungen

  • Das ist mitunter so eine Sache mit den Dingen die über den großen Teich kommen, das süchtige Tomatenvolk ruft nach immer mehr neuen Sorten und die Züchter kommen mit der Selektion und Stabilisierung nicht mehr nach, also werden einige Kreuzungen schon in F2 bis F4 auf den Markt geworfen. Da muss man sich denn auch nicht wundern wenn man im Garten Früchte findet die nicht unbedingt den Fotos im Shop entsprechen.
    Nun könnte man sagen dass es nett wäre wenn solche Sorten auch einen entsprechenden Hinweis bekommen würden, aber wie mit der F1 Kennzeichnung ist auch das nicht zuverlässig.
    Ich finde das eigentlich recht bedauerlich, denn der geneigte Samenkäufer ist nicht immer in der Lage jahrelang zu selektieren, bzw. die meisten Tomatenfreunde wollen sie essen und keinen großen Selektionsaufwand betreiben und so geht leider viel Potential verloren.
    Das bitte ich jetzt aber nicht misszuverstehen, ich wollte damit nicht zum Ausdruck bringen dass sich mehr Leute mit umfangreicher Selektion befassen sollen... nee, das sollen die Züchter mal selber erledigen, ganz gleich ob Großbetrieb oder Hobbygärtner, so viel Zeit muss sein.

    LG Conya
     
  • Ich meine, dass die Züchter sich ausreichend Zeit nehmen sollen um ihre neuen Sorten zu selektieren und nicht zwei Sorten kreuzen und dann Saatgut der F2 oder F3 schon auf den Markt bringen, jedenfalls nicht ohne sie zu kennzeichnen.
    Natürlich sind neue Sorten für die potentiellen Kunden interessant und viele, mich eingeschlossen, schauen sich an was es Neues gibt, aber ich habe den Eindruck, dass immer mehr Züchter sich die Arbeit sparen um die Nachfrage kurzfristig zu bedienen und der Hobbygärtner ist dann enttäuscht oder verärgert wenn die Früchte nicht dem entsprechen was er erwartet hat... und das zu recht.
    Wenn ein Hobbygärtner eine Kreuzung vornimmt um sie später als eigene Züchtung auf den Markt zu bringen, dann sollte auch er eine ausreichende Selektion vornehmen oder aber das Saatgut als F2, F3 oder F4 bezeichnen damit andere wissen auf was sie sich einlassen.

    Hahm und Konsorten, so mancher von ihnen ist auch züchterisch am Werk, aber sie bemühen sich auch um die Erhaltung dessen was schon da ist. Viele tolle Sorten würden wir ohne ihre Arbeit gar nicht kennen, geschweige denn jemals probieren dürfen.
    Ein Samenarchiv zu betreiben macht eine Menge Arbeit, es ist nicht damit getan diverse Sorten aufzustöbern, es muss auch sicher gestellt werden dass ausreichend Saatgut vorhanden ist um es z. B. an Interessenten weiter zu geben. Man sucht Informationen, Sortenbeschreibungen müssen erstellt werden, das Saatgut muss korrekt benannt sein, bei einem größeren Archiv braucht man Menschen mit ausreichend Fachwissen und Platz um die Sorten immer wieder anzubauen weil man es alleine nicht mehr bewältigen kann und Vieles mehr.
    Ich ziehe den Hut vor dem was sie leisten und wir sollten froh sein, dass es noch ein paar wenige private Archive in Deutschland gibt, denn das ist keine Selbstverständlichkeit.

    LG Conya
     
  • und so geht leider viel Potential verloren.
    Ja, das finde ich auch. Die eigentlich anvisierten Sorten, werden so unter Umständen nie wieder reproduziert und es tauchen eine Vielzahl von Varianten auf, weil jeder seine Absaaten unter dem ursprünglichen Sortennamen vertreibt auch wenn sie der Beschreibung des Züchters gar nicht entsprechen.
    Und dann gibt es noch die, die ihre F2-Kreuzungen für teuer Geld zum "Spielen" auf den Markt werfen (Wild Boar Farms). Ehrlich, das kann ich auch!
     
    Hi Conya,

    ja, uff, da sprichste jetzt was an.

    Da hat sich in den letzten Jahren eine Entwicklung eingeschlichen, die mir nicht gefällt, und die ich für sehr bedenklich halte. So richtig aufgestoßen ist mir das zum ersten Mal (wars Winter 2012/2013?) als Tom Wagner da seinen neuen Online-Shop hatte und viele seiner neuesten "Sorten" verkauft hat. Als Wagner Fan hab ich natürlich ordentlich zugeschlagen.

    Passenderweise hatte ich zu dem Zeitpunkt das "Kuba-Projekt" am Laufen. Das heißt ein Acker voll Tomaten. Ich hatte großzügig Platz und musste mich nicht einschränken. Also kam von jeder Sorte, die ich im Anbau sehen wollte, auch immer die komplette Samentüte unter die Erde (zur Vermeidung von Plastik in der Umwelt allerdings nicht wortwörtlich).

    Das passierte auch mit den Wagners. Was sich dann auf dem Acker abgespielt hat, war für mich ein Trauerspiel und eine große Enttäuschung. Jede einzelne dieser "Sorten" stellte sich als hochgradig instabil heraus. Vom Gefühl her alle so im Bereich F3, F4 oder F5.

    Für diese Wagner-Sorten war auf meinem Acker dann Sackgasse. Sie wurden nicht weitervemehrt. Einerseits wollte ich nicht die Hausaufgaben eines anderes Züchters machen. Andererseits wollte ich nicht eigene Kapazitäten für Züchtungsarbeiten fremder Linien belegen.

    Und drittens ging es beim Kuba-Projekt darum, einen Eindruck von möglichst vielen Sorten zu gewinnen (die von Wagner hatten per Definition nicht den Status einer Sorte), passende Kreuzungspartner (geeignete Sorten, vitalste/sortentypischste Pflanzen) zu wählen und Kreuzungen durchzuführen. Mit instabilen Sorten wollte ich nicht kreuzen!

    Damals hat man sich noch aufgeregt über diese "Wagner-Sorten", nicht nur ich. Auch andere hier & in anderen Foren. Mittlerweile sind aber immer mehr Züchter mit diesen unglücklichen Trend mitgegangen. Ich schaue mich die Tage im Online-Shop von Vertiloom um, da lese ich sehr häufig in den Sortenbeschreibungen von Instabilität. Vor Jahren, als ich mich zuletzt mit Tomaten beschäftigt habe, war das so noch nicht in den Shops zu lesen. Zumindest nicht so häufig.

    Ob das am süchtigen Tomatenvolk liegt, das weis ich nicht, aber es ist auf jeden Fall eine interessante These!

    Das Problem an dieser Vorgehensweise liegt klar auf der Hand. Die "Sorte" verbreitet sich dann weltweit mit variablen Ausgangsmaterial. Das genetisch stabile Endprodukt, d.h. das züchterische Ergebnis kann dann qualitativ nicht sonderlich gut sein. Außerdem tummeln sich in den verschiedenen Shops und Bezugsquellen die vermeintlich gleiche Sorte, dessen einzige Gemeinsamkeit dabei nur der Sortenname ist. Faktisch ist aber die angebotene Sorte dann nicht unbedingt identisch mit der einer anderen Quelle.

    Besser wäre es, wenn auch die Bezugsquellen das richtiger handeln und kennzeichnen würden in dem sie das als eigene Strains ausweisen würden. Zum Beispiel so "Helsing Junction Blues (Vertiloom-Strain)".

    Und: Es ist nicht richtig, dass dann der ursprüngliche Züchter dafür auch noch die Lorbeeren einsackt und als Züchter dieser einen Sorte in den Online-Shops aufgeführt wird. Denn es ist seine Arbeit nur in Teilen. Nach meiner Definition ist man nur Züchter einer Sorte, wenn man diese von Anfang bis Ende durchführt. Von der Hybridisierung bis zur genetischen Stabilität von zumindest 98,4375%, besser 99,21875%.

    Klar, dieser Prozess dauert Zeit (von daher gibts von mir auch noch keine Züchtungen), aber dann hat man die Lorbeeren wenigst verdient!

    Wie manage ich das persönlich beim Kauf von Saatgut?
    • Ich versuche Sorten, soweit möglich, direkt beim Züchter zu kaufen, um das Original zu erhalten.
    • Ich mache einen großen Bogen um instabile Sorten. Sei es beim Züchter noch bei anderen Online-Shops und warte ab, bis ich die Sorte stabil beziehen kann.
    • Sollte mich eine instabile Sorte dann doch interessieren, sehe ich es als Preview an. Ich versuche dann Jahre später das fertige Original beim Züchter einzukaufen, soweit das möglich ist.
    • Entscheide ich mich selbst eine solche Preview züchterisch weiter zu bearbeiten und zu stabilisieren, annektiere ich die "Sorte" für mich. Ich bin dann der Züchter dieser neuen "Sorte". Oder genauer formuliert: Züchter dieser Strain, die ich weiter verfolge, bearbeite und stabilisiere. Der Sortenname kann dabei bleiben mit dem Zusatz in Klammern einer eigenen Strain-Bezeichnung (z.B. "Helsing Junction Blues (Sunfreak's Strain)". Oder aber auch einen eigenen Sortennamen erhalten (mit Verweis auf das Ausgangsmaterial). Die Lorbeeren sacke ich dann ein, allerdings nicht exklusiv, sondern mit Credits auf den ursprünglichen Züchter.
    Kommendes Jahr möchte ich wieder Wagner-Sorten anbauen, speziell einige der Sorten, welche ich damals im Kuba-Projekt auf dem Acker hatte. Auf meiner Anbauliste werde ich die Bezugsquelle dann besonders ausweisen, um klar zu machen, dass diese Sorte bezogen aus anderen Quellen, andere Merkmale zeigen kann.

    So nebenbei: Wir sind ziemlich Off-Topic (auch im Vertiloom-Thread). Schreibt einfach mal weiter, aber ich werd mir die Tage mal überlegen, wie ich diese beiden Threads splitte und den Off-Topic Teil in neue Threads verschiebe...

    Grüßle, Michi
     
  • Auf meiner Anbauliste werde ich die Bezugsquelle dann besonders ausweisen, um klar zu machen, dass diese Sorte bezogen aus anderen Quellen, andere Merkmale zeigen kann.
    Das ist eine gute Idee. Ich denke, das mache ich auch. Zumindest bei den "Neuerscheinungen"

    So nebenbei: Wir sind ziemlich Off-Topic (auch im Vertiloom-Thread). Schreibt einfach mal weiter, aber ich werd mir die Tage mal überlegen, wie ich diese beiden Threads splitte und den Off-Topic Teil in neue Threads verschiebe...
    Trotzdem eine interessante Diskussion!
     
    Eure Gedanken zur stabilen Sorten sind richtig, die Crux ist aber das viele Geld, daß da mittlerweile gemacht wird. Da ist es egal, ob neue Sorten etwas taugen, die Leute wollen immer mal wieder etwas Neues.
     
    Das ist die Frage: Wollen die Leute wirklich, oder wären zumindest die Meisten nicht auch zufrieden, wenn man ein großes Sortiment alter Sorten anbieten würde?

    Ich glaube nämlich, dass die Wenigsten die ganzen alten Sorten schon probiert haben. Vielfalt dürfte das sein, was reizt.
     
    Klar, aber wieviele Bekloppte kaufen einfach was weil das Etikett so schön ist und man die Farbe so gut zur neuen Gartenlounge paßt. Das ist wie bei Klamotten, ex und hopp. Nächste Saison gibt es was Neues.
     
  • Dann bräuchte es aber erst Recht keine instabile neue Sorte mit tollem Etikett, die später für Frust sorgt, weil nicht wächst, was man sich ausgesucht hat, sondern eine bewährte Sorte, die hält, was sie verspricht, wäre viel besser.

    Ich habe nur wenig Platz, da wäre ich sauer, wenn ich eine schwarze Fleischtomate säe und es kommt - jetzt mal übertrieben - eine rote Cherry bei raus.

    Sehe gerade, wir sind bei den Paprika und Chilizöglingen - aber was ich für Tomaten geschrieben habe, gilt auch für Paprikasorten. Wenn ich eine kleine Snackpaprika will, dann stehe ich doof da, wenn das, was nachher wächst, eine sauscharfe Chili ist, bei der ich mit einer halben Frucht mein Essen so scharf würze, dass ich es selbst nicht mehr mag.
     
  • Die Schärfe ist aber wohl eher Produkt einer ungewollten Verkreuzung.
    Ich habe mir neue Samen einer scharfen Paprika bestellt. Laut Semillas soll sie eine Schärfe erreichen, die sonst nur kleinfruchtige Chilis erreichen. Bin sehr gespannt! Ich mag ja gerne Chilis. Aber diese elende Puhlerei ist mir echt ein Grauel.

    Zu den Tomaten: Ich habe nichts gegen sich aufspaltende Züchtungen und ich pflanze sie auch in meinen Garten. Aber ich möchte das vorher wissen! Dann ist das meine eigene Entscheidung. Und ich pflanze dann natürlich mehr als eine und erwarte mit Spannung, was daraus wird. Aber wenn ich nur eine einzige Pflanze setze, dann möchte ich gerne, das genau raus kommt, was beschrieben ist. Mir wäre sehr geholfen, die Züchter würden die Generation der Züchtung vermerken, damit man einfach gut damit umgehen kann. So ist es einfach die Katze im Sack und die Frustration hoch, wenn sie dem Erwarteten nicht entspricht.
    Aber ich fände es toll, wir könnten doch einen separaten Thread eröffnen und fortführen, denn ich hätte noch ein paar spezielle Fragen.
     
    Super Danke!
    Ich melde mich demnächst, haben plötzlich haufenweise zu tun, da die Weihnachtsgottesdienste ausfallen. Wir wollen den Leuten ein klein wenig Weihnachtsfreude bringen, insbesondere in den Heimen.
     
    Zuletzt bearbeitet:
    Jeiohwei, kaum schreibe ich mal wieder was, schon wird es für alle anstrengend...;)

    Also erstmal prost Kaffee:)

    Michi hat das Dilemma schon gut auseinanderklabüstert, was sich auf seinem Acker abgespielt hat erlebe ich auch jedes Jahr, der Unterschied ist nur, mir ist die Problematik bekannt und aus dem Grund werden alle neuen Sorten nicht im Garten, sondern irgendwo im Maisfeld ausgepflanzt. Diese Maßnahme gilt bei mir für alle Sorten die in den letzten zehn Jahren raus gebracht wurden, natürlich nur diejenigen die ich im eigenen Bestand habe.
    Wenn aber jemand wie Pyromella Lust auf eine neue Sorte hat und in einem Shop ein Foto einer Tomate sieht die ihr gefällt, dann ist es undenkbar, dass sie sich die Sorte bestellt, alle Samen aussät, die Pflanzen hochpäppelt, von den diversen Früchten Samen zieht und dann jahrelang umfangreiche Selektionsarbeit betreibt bis irgendwann vielleicht etwas dabei herauskommt was dem Foto entspricht.
    Sie möchte diese Früchte sofort haben, im ersten Anbaujahr, und ist zurecht enttäuscht und verärgert wenn dem nicht so ist... ich bin aber sicher, würde im Shop bereits der Hinweis "instabil" zu lesen sein, sie würde es sich sehr genau überlegen ob sie diese kaufen möchte, andere tun es gerade deshalb, weil sie neugierig sind.

    Bei Vertiloom ist der Hinweis oft zu lesen, auch Hahm bemüht sich kein Geheimnis daraus zu machen, Tatiana und einige andere im In- und Ausland ebenfalls, das ist aber nur dann möglich wenn es ihnen bekannt ist. Shopbetreiber die viele Sorten verkaufen, aber nicht selbst anbauen, sondern nur angekaufte Saat weiterverkaufen, wissen oft gar nicht was sich in den Tüten befindet, sie verlassen sich auf die Angaben die sie vom Lieferanten bekommen. Das ist so weit auch in Ordnung denn nicht jeder Händler ist ein Saatzuchtbetrieb, aber als Käufer sollte man das bedenken, es sei denn man ist auch mit Überraschungen zufrieden.

    Ich wäre sehr dafür, dass grundsätzlich vermerkt wird wenn es sich um instabile Sorten handelt damit den Hobbygärtnern und Balkonbotanikern diese Enttäuschung erspart bleibt.
    Wenn jemand allerdings einen kleinen Shop aufzieht, als Hobbyzüchter tätig wird, bei seinen Kreuzungen an einer Pflanze sehr interessante Früchte vorfindet, Samen abnimmt, sie erneut aussät und nix Vergleichbares feststellt, dann hat derjenige noch viel Arbeit vor sich.
    Stattdessen wurden sehr schöne Fotos dieser Früchte im Shop eingestellt, der Hobbyzüchter gab bekannt, dass er ab sofort kein Amateur mehr ist, man bekommt rund 30 Samen pro Tüte... und erst wenn man liest was auf der Tüte steht wird man darüber aufgeklärt, dass es sich bei dem Saatgut um eine Mischung aus F2 bis F4 handelt...
    Sorry, aber auch das ist etwas wo ich fuchsig werde und mir Schaum vor die Schnauze kaue!
    Gekeimt sind von 32 Samen vier, sie taten sich sehr schwer damit und brauchten lange, drei Keimlinge waren so schwach, dass sie es vorzogen sich nach der Entwicklung von drei bis vier Blättchen ins Jenseits zu verabschieden. Die vierte Pflanze schaffte es mit viel Mühe auf eine Wuchshöhe von ca.60 cm, zeigte deformierte Blätter, brachte es auf fünf Blüten und zwei winzige Früchte, eine enthielt elf Samenkörnchen die bis auf zwei unterentwickelt waren, die andere enthielt gar keine Samen.

    Eine ähnliche Handlungsweise habe ich auch anderswo bereits beobachtet, z. B. bei Süßwassergarnelen, die bei so manchem Aquarianer das Sammelfieber ausgelöst haben. Auch da gab es Zeiten wo in immer kürzeren Abständen neue Farblinien auftauchten, einige Züchter, auch Hobbyzüchter und Shopbetreiber haben viel Geld damit verdient und die alten Sorten verschwanden zunehmend aus dem Angebot weil sie niemand mehr haben wollte.
    So manche Garnele ist schon lange nicht mehr aufzutreiben und auch bei Tomaten verschwinden immer mehr alte und bewährte Sorten, in einigen Shops sind sie kaum noch vertreten.
    Es liegt an uns, den Menschen, die gerne Tomaten essen, im Frühjahr ein paar wenige (oder auch mehr) Pflanzen ziehen, sich freuen wenn sie gut wachsen, sich sorgen wenn es nicht so gut läuft, sie haben die Möglichkeit auch alte Sorten zu erhalten, was keinesfalls bedeutet, dass sie die Neuen meiden sollen.
    Aber wir alle wären sicher dankbar, wenn alle Züchter bereits im Shop angeben ob Sorten bereits stabilisiert sind oder nicht und auch der Hinweis auf F1 sollte niemals fehlen, denn wenn man sich darauf verlassen könnte würde man keine Interessenten vor den Kopf stoßen und es wäre jedem damit gedient.

    Bis es so weit ist, dass alles korrekt gekennzeichnet wird, kann ich noch eine kleine Hilfestellung für geduldige Tomatenfreunde anbieten, auch wenn sie nur manchmal funktioniert.
    Wenn eine neue Sorte auftaucht, vergleicht das Foto der Frucht mit dem Foto im Folgejahr, manchmal kann man daran Änderungen erkennen, wie z. B. Fruchtform, Größe, Farbe und dann weiß man dass es noch zu Überraschungen kommen kann.

    LG Conya
     
    Danke, Conya. Ich glaube, wir sind uns hier alle einig, dass wir möchten, dass auf den Samen vermerkt ist, wie stabil die Linie ist, damit jeder entscheiden kann, was er/sie kauft.

    Ich finde es spannend mitzuverfolgen, wenn Leute mit viel Platz - wie du, Conya - auch vom Anbau der instabilen Sorten berichten. Mir fehlt der Raum, weshalb ich auf diese Experimente leider verzichten muss.

    Und weil ich nicht soviel Erfahrung habe, dass ich alte Sorten sofort erkenne, bin ich hier im Forum immer sehr dankbar, wenn von diversen stabilen Sorten berichtet wird, so dass ich für meine jeweils kleine Saison mit ziemlicher Sicherheit Sorten wähle, bei denen das herauskommt, was auf der Tüte steht.

    Da ich weiß, dass hier ja auch selbst gekreuzt wird, mal eine neugierige Frage: Was ist eigendlich der Reiz daran, die instabile Linie eines anderen Züchters anzubauen, und nicht gleich selbst zu kreuzen? Ich glaube, wenn ich den Platz hätte, dann würde mich der Prozess ganz von der ersten Generation an reizen.
     
    Das halt Züchter unfertige Sorten veröffentlichen ist halt eine Unart.

    Der Käufer einer solchen Samentüte hat halt ein sehr beschränktes Spektrum von beispielsweise 20 Samenkorn, was er aussäen und von denen er selektieren kann. Heißt: Er muss eine Selektion auf eine sehr beschränkte Auswahl treiben.

    In jeder Samentüte findet findet sich eine andere Zusammensetzung. Das heißt jeder selektiert irgendwas anderes zusammen aus dem sehr beschränkten Material, was er vorliegen hat.

    Wenn ich also eine Sorte (denken wir mal an Helsing Junction Blues oder Bing Cherry - beide von Wagner), mal davon ausgegangen sie wurde stabilisiert. Einmal bei einem belgischen Händler bestelle und einmal bei einem amerikanischen Händler, dann werd ich zwei verschiedene Sorten, aber mit gleichen Sortennamen in meinem Garten haben. Zumindest wenn diese beiden Händler separat für sich selektiert haben und ihre Ergebnisse nicht ausgetauscht haben.

    Und das ist einfach shit, wenn die gewünschte Sorte bei verschiedensten Händlern anders ausfällt.

    Es ist unmöglich, dass beim Verkauf von unfertigen Sorten, am Ende alle Welt zu dem selben Züchtungsergebnis kommt...

    Denken wir uns einfach mal eine Sorte mit ein paar rezessiven Genen aus...

    Die Sorte soll grünes Fruchtfleisch haben. Dafür brauchen wir zwei rezessive Gene: Das ist einmal "green flesh" kurz "gf". Dieses Gen sorgt dafür, dass Chlorophyll nicht bzw. nur sehr eingeschränkt abgebaut wird. In Kombination mit Lycopin und andere Pflanzenfarbstoffe wird die reife Frucht dann braun sein.

    Damit sie letztlich dann doch grün wird, braucht es, wie bereits erwähnt ein zweites Gen, das ist "r", das macht gelbes Fruchtfleisch. "r" + "gf" in Kombination wird wiederum zu grünem Fruchtfleisch.

    2 rezessive Gene bedeutet, dass 1 von 16 Pflanzen im Aufspaltungsprozess das Merkmal "grünfrüchtige Tomate" trägt. Da kann man noch reelles Glück haben, dass man eine passende in einer Samentüte mit 20 Korn erwischt.

    Jetzt gehen aber wir weiter, wir wollen einen Zebra-Typ. Quasi eine Green Zebra. Dafür brauchen wir ein drittes Gen: "green stripe", kurz "gs". Drei rezessive Gene ("r", "gf", "gs") bedeutet: 1 von 64 Pflanzen wird in der F2 das Merkmal aller drei Gene zeigen.

    Aber ist noch bissl unspannend. Treiben wir es weiter. Was könnte man noch nehmen? Sie sie soll oval oder birnförmig sein. Da kommt dann "ovate" kurz "o" ins Spiel. 4 rezessive Gene. 1 von 256 Pflanzen trägt grün-gestreifte birnförmige Früchte.

    Aber ich bin noch nicht zufrieden, ich will die Sorte "Michael Pollan" nachahmen, das ist bekanntlich eine Multiflora. Also brauch ich ein weiteres rezessives Gen: "s", bekannt als "compound inflorescence". Also insgesamt 5 rez. Gene: 1 von 1024 Pflanzen hat Merkmale, die "Michael Pollan" ähnlich sind.

    So, jetzt haben wir uns bisher aber nur um Frucht gekümmert. Jetzt gehts um die Pflanze an sich, ich will das sie eine Zwergtomate ("dx") wird und kartoffelblättrig ("c") ist. 7 rezessive Gene, entspricht 1 von 16384 Pflanzen.

    So, und zu guter Letzt wollen wir dem geplagten Gärtner noch Resistenzen gegen Alternaria unter die Arme greifen. Dazu brauchen wir "ad". 8 rezessive Gene, entspricht 1 von 65536 Pflanzen hätte alle diese Merkmale, die wir uns als Züchtungsziel wünschen.

    So, und jetzt soll mir mal einer erklären, wie am Ende eine brauchbare Sorte rauskommen soll, wenn ein Züchter eine F2 oder eine F3 vertreibt, wo der Hobbyzüchter bzw. Käufer am anderen Ende der Welt mit 20 Samenkorn etwas zusammenselektieren soll?

    Das kann nicht funktionieren...

    Grüßle, Michi
     
    @Sunfreak, Michi Du hast den Geschmack vergessen! Oder ist Dir der egal? :zwinkern:
    Ich sage das deshalb, weil ich ja seit Jahren versuche, meine Entdeckung, die Streifenzipfel zu Stabilisieren. Ich habe mich so auf die Fruchtform und -Farbe konzentriert. Und die Verkostungen zeigten aber, das dabei das ursprünglich liebgewonne Aroma auf der Strecke geblieben ist.
     
    Stimmt, der Geschmack macht es noch mal um ein vielfaches schwieriger. Aber das sollte ja jetzt auch nur eine Beispielrechnung sein...

    Den genetischen Background, was eine leckere Tomate ausmacht, kenne ich leider nicht...

    Grüßle, Michi
     
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