Aprikose Aufbauschnitt - wie beginnen?

[StCh]

Hallo Gartenfreunde!
Ich möchte bald meinem im Herbst frisch geplanzten Aprikosebaum einen Erziehungsschnitt verpassen. Es ist der erste Obstbaum, den ich selbst gepflanzt habe, bin daher was Baumschnitt angeht noch relativ unerfahren.

Im Anhang findet ihr zwei Fotos meines Jungbaumes. Ich hoffe man kann den Aufbau und die Zweige erkennen. Die Hauptstämme habe ich nummeriert. Der Zaun im Hintergrund verläuft von Nord nach Süd, damit ihr die Himmelsrichtung einschätzen könnt. Insgesamt ist der Baum jetzt rund 1,70 m hoch.



Ich habe schon so einige Ratgeber zum Aufbauschnitt gelesen, aber überall wird davon ausgegangen, dass es einen Mitteltrieb und mehrere Seitentriebe gibt, die dann in bestimmten Winkeln zueinander eingekürzt werden. Mein Bäumchen hat aber keinen richtigen Mitteltrieb. Dieser wurde wohl in der Baumschule herausgenommen.
Wie soll ich anfangen? Benötigt der Baum überhaupt einen Mitteltrieb?
Was gilt es bzgl. Himmels-/Südausrichtung zu beachten?
Und sollte ich vielleicht auch einige Äste zusätzlich herunterbinden?

Wegen möglichem Frost wurde mir geraten den Baum erst ab April zu schneiden. Aber dann blüht der doch bestimmt schon. Ist ein Schnitt dann überhaupt noch sinnvoll?

Danke vorab!
StCh

 

[thomash]

Ast 1 ist der Stamm

Es ist normal dass der Stamm angeschnitten wird, damit sich eine schönere Krone bildet und nicht zu sehr in die Höhe schießt.
du kannst den Ast 1 an einen langen Pfahl so festbinden dass er möglichst gerade ist. Mit den Jahren siehst du den Unterschied nicht mehr.

Natürlich wäre auch eine Hohlkrone denkbar.

Mehr möchte ich mich zuM Schnitt der Aprikose nicht einlassen, warte noch weitere Meinungen ab.

 

[fruitfarmer]

Hallo StCh (schweres Wort),


„Wie soll ich anfangen? Benötigt der Baum überhaupt einen Mitteltrieb?“ Nein. Jedenfalls nicht, wenn man sich für die pausende Kronenform entscheidet. Für eine Pyramide oder eine Spindel (als kronenform) ist eine Stammverlängerung (=Mitteltrieb) existenziell. Aber einer Hohlkrone wäre sie eher hinderlich (lol).


„Was gilt es bzgl. Himmels-/Südausrichtung zu beachten?“ Hauptsächlich, dass die Aprikose ein Wärme liebendes Pflänzlein ist und nach Möglichkeit nicht Lichtschatten o.ä. darben möchte. Das scheint bei Dir nicht gegeben, ein sonniger Standort. Auch wenn die Aprikose nicht ganz so ein Mimöschen wie Pfirsich ist, da sie aber mit als eine der ersten blüht (eigentlich sollte man jetzt schon ein Knospenaufbruch, zumindest schwellen sehen, ist zumindest bei mir am Südhang so), erfriert die Blüte leider auch als eine der ersten, sofern es Sch…ß Wetter hat. Also Wärme ist für sie immer gut.


„Und sollte ich vielleicht auch einige Äste zusätzlich herunterbinden?“ Wie alles Ansichtssache und es gibt immer zwei grundsätzlich entgegen gerichtete Meinungen. ICH halt nix von diesen Runterbinden, schon gar nicht jetzt, wo Du noch alle Möglichkeiten zur Formierung mittels Schnittführung hast. Dazu besteht hier und jetzt wirklich kein Bedarf (das war das Contra, das Pro wird sicherlich auch bald kommen).


„Aber dann blüht der doch bestimmt schon. Ist ein Schnitt dann überhaupt noch sinnvoll?“ Ich empfehle Pfirsich und Aprikose, genau wie Süßkirsche, generell während der Blüte zu schneiden. Natürlich spielt bei den beiden Wärmejunkies die Frostgefahr eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und beim Pfirsich erkennt manch zögernder Weidgenosse erst durch die Blüte falsche und echte Fruchttriebe.

Allerdings ist immer zu beobachten, dass gerade Jünger des „Blühschnittes“ akkurat um jede Blüte herum schnippeln! „Ochh, wo´s doch grad´schön blüht!“ Selbstredend sollte das nicht der eigentliche Sinn der österlichen Schnippelei sein. Auch wenn´s verdammt schwer fällt, blühende Zweige abzuschneiden. Es geht nicht umm Überhang o.ä., sondern allein um Formierung und den damit einhergehenden, anregenden Fruchtholzzuwachs.

Also, alles noch im Lot, irgendwie.
Zur Schnippelei. Aprikose fruchtet ja bekanntlicher weise liebend gern an kurzen Fruchttrieben, welche liebend gern die Langtriebe garnieren. Auch an den Langtrieben gedeihen Blütenknospen, die kurzen Fruchttrieb sind aber zu fördern. Dies erreicht man, indem man die Langtriebe jährlich um 1/3 einkürzt. Das ist so mal das Grobe.


In Deinem Fall würde dies ja bedeuten, dass Du lediglich die langen „Ruten“ ein wenig einkürzt! Und genau da liegt in diesem Fall für mich der Hase im Pfeffer. Weil ich den Pflanz-, den Erziehungsschnitt bereits schmerzlichst vermisse! Natürlich könntest Du lediglich zart die Spitzen einkürzen, er würde gar austreiben und sogar blühen. Allerdings tut Dein Bäumchen meiner Ansicht nach bereits jetzt Anzeichen von Vergreisung aufweisen, was auch bei jungen, lediglich auf Ertrag getrimmten Bäumchen, auftritt. Und dann einen Fruchtholzaustrieb anzuregen ist echt Sch…e.


Ich lehn mich mal weit aus´m Fenster und wage zu behaupten, dass das Bäumchen keine wurzelnackte Baumschulware war sondern aus´m Gartencenter stammt. Und da zählt vor allem Volumen, Der Kumpel von „Glück auf e.V.“ würde nämlich nie einen Besen mit 4 Stummeln kaufen, wenn er für´s gleiche Geld „…´nen ausjewachsenen Baum“ bekommt. Und darauf haben sich Gartencenter eingestellt. Baumschule sollte angeschnittene Bäumchen verkaufen, wohlgemerkr, sollte….

Woll´n mer mal die Bombe platzen lassen.


Vorweg, meine Meinung, genau wie ich persönlich es in der Praxis anwenden würde! Alles, ausser Gerüstäste 1, 2, 3 und 4 weg. (kurze theatralische Pause, sacken lassen) Vor allem Nr. 5, Nr. 5a und 5b! Mit 1,2,3 und 4 eine wunderschöne Hohlkrone aufbauen, zumal optimal angeordnet und perfekt auf Saftwaage anzuschneiden. Die verbliebenen 4 Gerüstäste auf einer Höhe (=Saftwaage, zumindest 1 und 2, sowie 3 und 4 jeweils Paarweise auf eine Höhe, da diese die jeweiligen Gerüstpaare sind), mal großzügiger Weise knapp unter der Zahl 2 auf Aussenknospe, bzw. Kurztrieb kappen. Ich würde noch 10 cm kürzer gehen, aber da ich weiß, wie groß der Schock grad ist………..


Keine Stummelschnitte! Astring.



Wenn dem Baum nix fehlt, dürfte er gut austreiben. Daher würde ich auch E/Juli den nächsten Schnitt vornehmen, um ihn einerseits zu beruhigen und andererseits den Schnitt im nächsten Jahr bis E/Blüte hinauszögern zu können.
Sollte er dieses Jahr wider erwarten neben Blattknospen doch noch mal blühen und fruchten, die Früchte zeitnah und komplett ausdünnen, das Obst sollte diese und nächstes Jahr noch nicht Dein Ziel sein.


Ich sehe zwar einen Pfahl, aber keinen Strick. Den kannst Du ja über ehemals "Nr.5" anbringen.

 

[thomash]

Wie schon erwähnt will ich Fruitfarmer gar nicht groß in sein meisterliches Handwerk pfuschen. Er hat sicherlich mehr Erfahrung als ich - insbesondere bei der Aprikose.

Wie ich oben schon kurz angemerkt habe empfiehlt er in diesem Falle auch eine Hohlkrone. Also vergiß was ich über den Trieb 1 gesagt habe. Das ist zwar prinzipiell nicht falsch gewesen aber für eine Hohlkrone braucht man nunmal keine Stammverlängerung mehr.

Also eine Hohlkrone mit 4 Trieben. Das bringt viel Licht in den Baum und reife und sonnenverwöhnte Früchte.

„Und sollte ich vielleicht auch einige Äste zusätzlich herunterbinden?“ Wie alles Ansichtssache und es gibt immer zwei grundsätzlich entgegen gerichtete Meinungen. ICH halt nix von diesen Runterbinden, schon gar nicht jetzt, wo Du noch alle Möglichkeiten zur Formierung mittels Schnittführung hast. Dazu besteht hier und jetzt wirklich kein Bedarf (das war das Contra, das Pro wird sicherlich auch bald kommen).

Fruitfarmer ist aber nicht nur gut als Obstbauer, sondern hat auch einen leicht hellseherische Gabe.


Im Gegensatz zu Fruitfarmer würde ich knapp oberhalb von der Zahl 2 die Leittriebe 1-4 einkürzen und dabei auf Saftwaage (also in etwa der gleichen Höhe vom Boden aus gesehen) die Äste kürzen und dafür tatsächlich runterbinden.
Da es sich offenbar um eine schwachwachsende Unterlage handelt würde ich auf etwas 50 Grad ausgehend vom Stamm binden. Zu flach würde ich nicht gehen (einige machen fast 90 Grad bei kleinen Bäumen).
Zu flach heißt aber auch den Wuchs zu beeinträchtigt und Aprikosen sind schwer wodurch auch später ein Astbruch entstehen könnte.

Das Runterbinden bringt aus meiner Sicht im Gegensatz zum Ableiten wie es Fruitfarmer beschreibt noch mehr Licht in den Baum und erlaubt es auch, dass man nicht ganz so radikal kurz schneiden muss (wobei fruitfarmer noch eher human war). Vor allem empfinde ich aber, dass dadurch die Baumform aus langer Sicht schön rund wird - aber Geschmäcker sind unterschiedlich.

 

[StCh]

Hallo zusammen!

Dankeschön für die ausführlich geschilderten Meinungen! Ich war die letzten Woche nicht viel online, deswegen erst jetzt meine Rückmeldung.

Was meine Wünsche für dieses und auch nächstes Jahr angeht, liegt meine Priorität zunächst einmal bei einem gesunden und gut anwachsenden Bäumchen. Optik und Früchte sind Nebensache. Also ich hätte keine Probleme damit, auch "radikal" anmutende Schnitte umzusetzten, sofern es logisch und sinnvoll ist. Habe den Garten erst seit wenigen Jahren und demzufolge auch wenig Erfahrung. Bin für jede Hilfestellung dankbar!!!

Das Gewächs stammt aus einer Baumschule. Habe mich bewusst gegen die aus den Gartencentern entschieden. Die sahen durch die Bank noch schlimmer aus. Über die Herkunft, Behandlung und Aufzucht in der Baumschule weiß ich aber nichts. Ich hatte mich beraten lassen, dabei aber eher auf die Sorte und "Optik" des Baums vor Ort fokussiert. Erfahrene Gärtner hätten sicherlich auf andere Dinge geachtet. Aber so ist das nunmal. Jetzt muss ich mit dem zurechtkommen, was ich gekauft habe.

Nun zum wichtigen:
An eine Hohlkrone hatte ich auch schon gedacht. Da aber alle meine Recherchen immer zu Tipps mit Mittelstamm führten, dachte ich schon, dass sei ein Muss, und war dementsprechend verunsichert, evtl. doch einen Krüppelbaum gekauft zu haben. Ebenso beim Schnitt "auf jeden Fall vor der Blüte". Das scheint auch bei erfahrenen Gärtnern ein Dogma zu sein, um dem Baum keine Kraft während des Wachstums zu rauben usw.. Aber gut, dass man den Baum eurer Meinung nach auch während der Blüte zu Leibe rücken darf.

Aprikosen fruchten meist an kurzen Trieben? Kann man also davon ausgehen, dass an kleinen Seitentrieben eher Früchte wachsen, als an langen? Also beim Schnitt mit Priorität auf Frucht dann grundsätzlich eher kleine Triebe am Hauptstamm stehen lassen und die langen eher einkürzen? (so als grobe Richtschnur?)

Hier einige aktuelle Fotos:


Äste 1 bis 4 stehen lassen und die anderen wegschneiden war auch meine erste Idee.
Saftwaage bedeutet alle Äste, bzw. 1+2 und 3+4, auf den gleichen "Horizont" (= Höhe) schneiden?
Und "knapp unter der Zahl 2" würde bedeuten, dass die Äste auf weniger als 1/3 ihrer jetzigen Länge gekürzt werden. Hatte ich richtig verstanden?
Damit würden fast alle jetzt austreiben Blüten weggeschnitten werden. Aber gut, wenn die einhellige Meinung dem entspricht, dann werde ich das mal versuchen.

Wie erkenne ich denn "echte" und "falsche" Fruchttriebe? Muss/sollte/kann man gegen letztere etwas unternehmen?
Werden eigentliche alle Blüten prinzipiell zu Früchten? Dann könnte man ja wunderbar genau die Blüten bzw. Ästchen wegschneiden, die an den "zu langen" Trieben hängen. Auch wieder ein Pluspunkt mehr für den Schnitt während der Blüte.
So sieht sehen die Triebe jetzt aus:



Schnitttechnik?
Einfach gerade, oberhalb eines Triebs nach außen? ... da liest man ja auch so etliche Meinungen.

Zeitpunkt?
Jetzt, oder noch ein wenig warten, bis die Blüten voll ausgetrieben sind, bzw. das Wetter etwas wärmer ist?

Und noch eine Frage zur Pflanzhilfe und "Richtungsweisung". Den Pfahl hatte ich als Unterstützung gegen starken Wind eingesetzt, jetzt aber losgebunden, weil der Baum schon sehr stark erscheint und mittlerweile am Pfahl vorbei in Richtung Süd-West wächst. Hier mal versucht hervorzuheben:


Sollte ich den Stamm wohl noch einmal per Schnur in eine Richtung "ziehen"?

Nochmals vielen Dank!!!


StCh
(Mein Nickname ist nicht so originell, ich weiß. Aber mir fiel nichts besseres ein.)